Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie

Titel: Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
Vom Netzwerk:
schielte sie boshaft über ihre Brille, als erwartete sie, dass ich bei der bloßen Erwähnung von Ratten einen Schreikrampf bekommen und wegrennen würde.
    »Ach, ich finde mich schon zurecht«, erwiderte ich stattdessen. »Brauche ich einen Schlüssel?«
    Miss Mountjoy kramte in der Schublade und holte einen gewaltigen Schlüsselbund heraus, der aussah, als hätte er einst den Wärtern des Grafen von Monte Cristo gehört. Ich klimperte vergnügt mit den Schlüsseln und verließ das Hauptgebäude.
    Die sogenannte Garage war die am weitesten vom Hauptgebäude entfernte Baracke. Sie stand bedenklich nah am Flussufer, ein aus morschen Brettern und rostigem Wellblech zusammengezimmerter und von Moos und Kletterranken überwucherter Schuppen. In der Blütezeit des Ausstellungsraums war hier die Garage gewesen, in der Reifen- und Ölwechsel durchgeführt sowie Achsen gefettet und andere intime Verrichtungen an der Unterseite der Wagen vorgenommen wurden.
    Inzwischen hatten Vernachlässigung und Verwitterung dafür gesorgt, dass der Schuppen eher an eine Einsiedlerhütte erinnerte.
    Ich drehte den Schlüssel, und die Tür flog mit rostigem Ächzen auf. Beim Eintreten schob ich mich vorsichtig an der tiefen
Mechanikergrube vorbei, die, wenn auch mit dicken Brettern abgedeckt, den Großteil des Raumes einnahm.
    Es roch streng und muffig und eindeutig nach Ammoniak, als hausten irgendwelche Tierchen unter den Dielen.
    In der zur Cow Lane weisenden Wand gab es ein breites Garagentor, das sich einst aufschieben ließ, damit die Automobile herein- und über die Grube fahren konnten, jetzt aber abgeschlossen war. Die Scheiben aller vier Fenster hatte man aus unerfindlichen Gründen mit dicker blutroter Farbe zugepinselt, weshalb in der Baracke ein gruseliges Zwielicht herrschte.
    An den übrigen drei Wänden standen lauter Holzregale wie Etagenbetten, und darauf lagen Stöße vergilbter Zeitungen: der Hinley-Kurier, der West-County-Anzeiger und das Posthorn am Morgen, alle fein säuberlich nach Jahrgängen geordnet und mit handschriftlichen Signaturen versehen.
    Es war nicht schwer, den Jahrgang 1920 zu finden. Ich hob den obersten Stapel herunter und wäre beinahe in der Staubwolke erstickt, die mir mitten ins Gesicht schlug wie eine Mehlstaubexplosion. Angenagte Papierfitzelchen rieselten wie Schnee zu Boden.
    Heute Abend heißt es Badewanne und Schwamm, dachte ich, ob du willst oder nicht.
    Vor einem verdreckten Fenster stand ein kleiner Tisch. Es gab gerade genug Licht und genug Platz, um die Zeitungen auszubreiten und nacheinander durchzublättern.
    Das Posthorn am Morgen stach mir vor allem ins Auge, ein Revolverblatt, dessen Titelseite wie bei der Londoner Times voll mit Anzeigen, Kurzmeldungen und privaten Kleinanzeigen war:
    Verloren: brauner, verschnürter Pappkarton.
Für Besitzer von großem Erinnerungswert.
Hohe Belohnung!
Antwort an »Smith«, z. Zt. im Weißen Herzen, Wolverston
    Oder:
    Mein Liebling: Er hat uns beobachtet. Gleiche Zeit
nächsten Donnerstag.
Bring Speckstein mit. Bruno.
    Da fiel es mir wieder ein! Vater war in Greyminster zur Schule gegangen … und war Greyminster nicht ganz in der Nähe von Hinley? Ich legte das Posthorn am Morgen wieder auf seine Totenbahre und holte mir die vordersten vier Stapel des Hinley-Kurier .
    Es handelte sich um eine Wochenzeitung, die jeweils freitags erschienen war. 1920 war der erste Freitag auf Neujahr gefallen, sodass die erste Ausgabe das Datum des folgenden Freitags trug: 8. Januar 1920.
    Seite um Seite voller Feiertagsnachrichten: Weihnachtsbesuch vom Kontinent, eine verschobene Sitzung des krichlichen Frauenkreises, der für den Altarschmuck zuständig war, ein »gut gewachsenes Schwein« war zu verkaufen, im Grange hatte ein Weihnachtsbüfett stattgefunden, eine Bierkutsche hatte ein Rad verloren.
    Die Polizeinachrichten vom März waren eine deprimierende Auflistung von Diebstählen, Wilderei und Tätlichkeiten.
    Ich blätterte unermüdlich weiter; meine Hände waren schon ganz schwarz von der zwanzig Jahre vor meiner Geburt getrockneten Druckerschwärze. Der Sommer brachte noch mehr Besucher vom Kontinent, Markttage, Stellenanzeigen für Hilfsarbeiter, Pfadfinderlager, zwei Wohltätigkeitsbasare und mehrere Eingaben für notwendige Straßenbauarbeiten.
    Nach einer Stunde war ich kurz davor zu verzweifeln. Wer das alles lesen wollte, musste über übermenschliche Sehkraft verfügen, denn die Schrift war elend klein. Wenn das noch
lange so weiterging,

Weitere Kostenlose Bücher