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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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beruhigend.
    Ich räkelte mich zufrieden und widmete mich wieder Beethoven und seiner gewaltigen Fünften.
    Obwohl Beethoven ein überragender Musiker und ein wahrer Zauberer im Erfinden von Sinfonien war, kam er manchmal einfach nicht zum Ende. Dafür war die Fünfte ein Musterbeispiel.
    Mir fiel wieder ein, dass das Ende der Geschichte, das allegro, eine der Gelegenheiten war, bei denen Beethoven einfach den »Aus«-Schalter nicht zu finden schien.
    Dam … dam … dam-dam-dam, ging es, und man dachte schon, jetzt sei es vorbei.

    Aber nein …
    Dam, dah, dam, dah, dam, dah, dam, dah, dam, dah, dam - DAH dam.
    Man machte Anstalten aufzustehen, sich zu recken und, zufrieden über das großartige Werk, dem man soeben gelauscht hatte, genüsslich zu seufzen - doch da:
    DAH dam. DAH dam. DAH dam. Und so weiter. DAH dam.
    Es war ein bisschen wie Fliegenpapier, das einem an den Fingern klebt und das man einfach nicht loswird. Die verflixte Sinfonie klebte verzweifelt am Leben.
    Manche von Beethovens Sinfonien trugen Eigennamen: die Eroica, die Pastorale, und so weiter. Die Fünfte hätte man den Vampir nennen sollen, weil sie sich hartnäckig weigerte, sich hinzulegen und zu sterben.
    Doch abgesehen von ihrem klebrigen Ende liebte ich die Fünfte, vor allem, weil sie zu einer Musikgattung gehörte, die ich heimlich »Rennmusik« nannte.
    Ich stellte mir vor, wie ich mit ausgebreiteten Armen im warmen Sonnenschein hakenschlagend den Goodger Hill hinunterrannte, stellte mir vor, wie die Zöpfe hinter mir herflatterten und ich aus voller Kehle die Fünfte brüllte.
    Leider unterbrach Vater den schönen Tagtraum.
    »Das ist jetzt der zweite Satz, das andante con moto« , sagte er mit Nachdruck. Vater benannte die Bezeichnungen der einzelnen Sätze immer in einem Ton, der besser auf den Kasernenhof als in einen Salon gepasst hätte. »Das bedeutet ›im Schritttempo, bewegt‹«, setzte er hinzu und lehnte sich wieder zurück, als hätte er für die verbleibende Zeit seine Pflicht getan.
    Das kam mir allerdings doppelt gemoppelt vor, denn wie soll denn ein Schritttempo unbewegt sein? Das leugnete glatt sämtliche Gesetze der Physik, aber andererseits sind Komponisten nun mal keine gewöhnlichen Menschen wie du und ich.
    Beispielsweise sind die meisten Komponisten tot.

    Als ich ans Totsein dachte, musste ich an Friedhöfe denken, und mir fiel Nialla wieder ein.
    Nialla! Die hätte ich ja beinahe vergessen! Vaters Ruf zum Abendessen war gerade in dem Augenblick ertönt, als ich meinen chemischen Nachweis abschließen wollte. Ich sah den leichten Beschlag vor mir, die im Reagenzglas wirbelnden Flocken mit ihrer spannenden Botschaft.
    Wenn ich nicht völlig danebenlag, war Mutter Gans schwanger.

5
    O b sie selbst es wohl wusste? Noch bevor sie sich weinend von der Grabplatte erhoben hatte, war mir aufgefallen, dass sie keinen Ehering trug. Wobei das natürlich nichts zu bedeuten hatte; schließlich hatte sogar Oliver Twist eine ledige Mutter gehabt.
    Aber dann der frische, noch feuchte Lehm an ihrem Rocksaum. Obwohl ich diesen Umstand in irgendeinem Winkel meines Gehirns abgespeichert hatte, hatte ich bis jetzt keinen Gedanken mehr daran verschwendet.
    Wenn man sich jedoch die Mühe machte und kurz darüber nachdachte, kam man unweigerlich zu dem Schluss, dass sie auf dem Friedhof gepinkelt haben musste. Da es nicht geregnet hatte, war der frische Lehm an ihrem Saum ein eindeutiger Beweis. Offenbar hatte sie es eilig gehabt und sich hinter den vor neugierigen Blicken schützenden Erdhügel in der nordwestlichen Ecke des Friedhofs begeben, den der Totengräber, Mr Haskins, für seine Zwecke dort als Reserve bereithielt.
    Ich kam zu dem Schluss, dass es furchtbar dringend gewesen sein musste.
    Anders konnte es nicht gewesen sein, denn keine Frau der Welt würde sich zum Pinkeln eine derart wenig einladende Stelle aussuchen (»ganz und gar inakzeptabel«, hätte Daffy gesagt), es sei denn, ihr blieb nichts anderes übrig. Mögliche Gründe dafür gab es unzählige, aber mir kam sofort etwas in den Sinn, das ich kürzlich zufällig beim Blättern im Australischen
Wochenblatt für die Frau gelesen hatte, als ich mir im Wartezimmer des Zahnarztes in der Farrington Street Schwielen saß. »Zehn frühe Anzeichen für ein freudiges Ereignis«, war der Artikel überschrieben gewesen, und das Bedürfnis nach häufigem Wasserlassen hatte ziemlich weit oben auf der Liste gestanden.
    »Vierter Satz. Allegro. C-Dur«, verkündete Vater so

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