Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
Vom Netzwerk:
dem Schluss, dass sie es auch von mir nicht erfahren würden.
    Schon nach den ersten, vorsichtig watenden Schritten durch das feuchte Gras waren meine Schuhe und Strümpfe klitschnass.
    »Hallo?«, rief ich leise. »Jemand zu Hause?«
    Keine Antwort. Nicht ein Mucks. Als eine der neugierigen Dohlen von der Kirchturmspitze herabgesegelt kam und mit einem aerodynamisch einwandfreien Plopp auf der bröckeligen Kalksteinmauer landete, fuhr ich unwillkürlich zusammen.
    »Hallo?«, rief ich wieder. »Klopf, klopf! Jemand zu Hause?«
    Es raschelte im Zelt, dann streckte Rupert den Kopf heraus. Die zerzausten Haare fielen ihm in die Augen, die so rot waren, als würden sie von elektrischen Dynamos angetrieben.
    »Herr im Himmel, Flavia!«, sagte er. »Bist du das?«
    »Entschuldigen Sie. Ich bin etwas früh dran.«
    Er zog den Kopf zurück wie eine Schildkröte und ich hörte, wie er versuchte, Nialla zu wecken. Es gähnte und grummelte, dann beulte sich die Leinwand an mehreren Stellen aus, als würde drinnen jemand mit einem Besen Glasscherben zusammenkehren.
    Kurz darauf kam Nialla halb herausgewankt, halb herausgekrochen. Sie trug dasselbe Kleid wie am Vortag, und obwohl der Stoff unangenehm feucht aussah, hatte sie, noch ehe sie sich ganz aufgerichtet hatte, eine Woodbine daraus hervorgezogen und angesteckt.
    »Morgen!« Sie begrüßte mich mit einer wedelnden Handbewegung, wobei der Rauch der Zigarette davonwehte und sich mit dem Nebel vermischte, der zwischen den Grabsteinen hing.
    Auf einmal hustete sie krampfartig, sodass die Dohle sich mit
schiefgelegtem Kopf gleichsam angewidert ein paar Schritte auf der Mauer entfernte.
    »Sie sollten diese Dinger nicht rauchen«, meinte ich.
    »Ach, was verstehst du schon davon?«
    Ich wusste immerhin, dass mein verstorbener Großonkel Tarquin de Luce, dessen Chemielabor ich geerbt hatte, in seiner Studentenzeit niedergeschrien und buchstäblich aus der Oxford Union, dem berühmten Debattierklub, hinausgeworfen worden war, weil er in einer Debatte zum Thema »Aller Verdacht zerstreut, dass Tabak ein schädliches Kraut ist« die Gegenposition eingenommen hatte.
    Erst vor Kurzem war ich in einem alten Tagebuch auf Onkel Tars Notizen gestoßen. Seine akribischen chemischen Forschungen schienen eine Verbindung zwischen dem Rauchen und dem, was man damals »fortschreitende Lähmung« oder auch »Hirnerweichung« nannte, bestätigt zu haben. Da er von Natur aus ein eher schüchterner, in sich gekehrter Mensch war, hatte die »tiefste und äußerste Demütigung«, wie er sich ausdrückte, von Seiten seiner Mitstudenten erheblich zu seiner späteren Menschenscheu beigetragen.
    Ich schlang die Arme um mich und machte einen Schritt zurück.
    »Nichts«, sagte ich.
    Ich hatte schon zu viel gesagt. Auf dem Friedhof war es kalt und unwirtlich, und auf einmal sah ich mein warmes Bett verlockend deutlich vor mir.
    Nialla blies mehrere Rauchringe senkrecht in die Luft, was ziemlich lässig aussah. Ich schaute den Kringeln nach, bis sie sich auflösten.
    »Tut mir leid«, lenkte sie ein. »Frühmorgens bin ich meistens unleidlich. Ich wollte dich nicht kränken.«
    »Schon gut«, sagte ich. Aber es war nicht gut.
    Ein Ast knackte trotz des dämpfenden Nebels erstaunlich laut. Die Dohle flatterte in die Krone einer Eibe.

    »Wer ist da?«, rief Nialla, ging mit schnellen Schritten auf die Kalksteinmauer zu und beugte sich darüber. »Diese verflixten Kinder«, sagte sie. »Wollten uns erschrecken. Ich habe noch eins von ihnen lachen gehört.«
    Obwohl ich Harriets hervorragendes Gehör geerbt habe, hatte ich außer dem Knacken nichts vernommen. Auch wäre es höchst verwunderlich gewesen, irgendwelche Kinder aus Bishop’s Lacey um diese frühe Stunde auf dem Friedhof anzutreffen, aber das behielt ich für mich.
    »Ich hetze ihnen Rupert auf den Hals«, sagte Nialla grimmig. »Das wird sie Mores lehren. - Rupert!«, rief sie. »Was treibst du eigentlich da drin?«
    Zu mir sagte sie augenzwinkernd: »Jede Wette, dass sich der Faulpelz noch mal hingelegt hat.«
    Sie zupfte energisch an einem der Spannseile, worauf das ganze Zelt wie ein Fallschirm nach der Landung in sich zusammenfiel. In der weichen Erde des Armenfriedhofs hatten die Heringe keinen guten Halt, und schon lag das Zelt in einem kläglichen Stoffhaufen auf dem Boden.
    Rupert kam wie der Blitz herausgeschossen, packte Nialla am Handgelenk und drehte ihr den Arm auf den Rücken. Ihre Zigarette fiel ins Gras.
    »Untersteh dich!«,

Weitere Kostenlose Bücher