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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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äußern.
    »Kinder sollte man mit der Reitpeitsche züchtigen«, pflegte sie zu sagen, »es sei denn, sie wollen Politiker oder Juristen werden. In dem Falle sollte man sie hinterher ertränken.« Womit ihre Philosophie recht gut zusammengefasst wäre. Trotzdem verfügte sie, wie alle strengen, brutalen Tyrannen, über ein paar Tropfen heimlicher Sentimentalität, die ab und zu an die Oberfläche sprudelten (meistens zu Weihnachten, manchmal aber auch, dann aber in der Regel verspätet, zu Geburtstagen), und dann drängte sie uns ihre handverlesenen Geschenke auf.
    Daffy beispielsweise, die sich sofort auf Melmoth der Wanderer oder Nachtmahr-Abtei gestürzt hätte, bekam von Tante Felicity eine Ausgabe des Jumbo-Buchs für Mädchen geschenkt, und Feely, die sich eigentlich mit nichts anderem als mit ihren
Pickeln und mit Kosmetik befasste, fand in ihrem Päckchen ein Paar Guttapercha-Handschuhe für Kraftfahrer (»Die erste Wahl, wenn Sie auf dem Lande eine Panne haben«).
    Trotzdem ist Vater, als wir uns einmal in seiner Gegenwart über Tante Felicity lustig gemacht hatten, so wütend geworden, wie ich ihn noch nie erlebt hatte. Aber er hatte sich rasch wieder beruhigt und einen Finger auf den Augenwinkel gelegt, um einen zuckenden Nerv zu besänftigen.
    »Ist euch je in den Sinn gekommen«, hatte er mit dieser schrecklichen tonlosen Stimme gefragt, »dass bei eurer Tante Felicity der äußere Anschein womöglich trügt?«
    »Willst du damit sagen«, schoss Feely sofort zurück, »dass dieses verrückte Getue bloß Fassade ist?«
    Ich konnte ihre Kühnheit nur bewundern.
    Vater bedachte sie mit einem grimmigen Blick aus seinen kalten blauen de-Luce-Augen, dann machte er auf dem Absatz kehrt und stapfte aus dem Zimmer.
    »Jetzt schlägt’s dreizehn!«, hatte Daffy gesagt, aber erst, als er draußen gewesen war.
    So kam es, dass Tante Felicitys grässliche Geschenke weiterhin schweigend entgegengenommen wurden - zumindest in meiner Gegenwart.
    Ehe ich mir alle ihre Übergriffe auf meine eigene Gutwilligkeit in Erinnerung rufen konnte, fuhr Vater fort:
    »Ihr Zug kommt um fünf nach zehn in Doddingsley an, und ich wünsche, dass du sie dort abholst.«
    »Aber …«
    »Keine Widerrede, Flavia. Ich muss im Dorf ein paar Sachen erledigen. Ophelia hält irgendeinen Vortrag beim Vormittagstee des Frauenvereins, und Daphne hat sich strikt geweigert.«
    Verflixt und zugenäht! Ich hätte mir denken können, dass so etwas passieren würde.
    »Ich lasse Mundy einen Wagen herschicken. Wenn er heute Abend Mrs Mullet abholt, sage ich ihm gleich Bescheid.«
Clarence Mundy war der Besitzer und Fahrer von Bishop Lacey’s einzigem Taxi.
    Mrs Mullet würde heute länger bleiben, um das halbjährliche Großreinemachen der Töpfe und Pfannen zu Ende zu bringen: ein Ritual, das die Küche mit fettigem, kochend heißem Dampf und die Bewohner von Buckshaw mit Übelkeit zu erfüllen pflegte. Bei diesen Anlässen bestand Vater immer darauf, sie hinterher mit dem Taxi heimfahren zu lassen. Weshalb er das tat, darüber kursierten in Buckshaw die unterschiedlichsten Theorien.
    Es lag auf der Hand, dass ich nicht nach Doddingsley fahren, zusammen mit Tante Felicity wieder zurückfahren und gleichzeitig Rupert und Nialla helfen konnte, ihre Marionettenvorstellung vorzubereiten. Darum musste ich Prioritäten setzen und mich um das Wichtigste zuerst kümmern.
     
    Als ich auf der Straße nach Bishop’s Lacey dahinsauste, zeichnete sich im Osten bereits ein schmaler Streifen Gold am Himmel ab, aber die Sonne war noch nicht richtig aufgegangen. Gladys’ Räder gaben das wespenartige Summen von sich, das sie immer dann machten, wenn Gladys besonders zufrieden war.
    Auf den Feldern links und rechts der Straßengräben lag noch Nebel, und ich tat so, als sei ich der Geist von Cathy Earnshaw, der (natürlich ohne Fahrrad) über das Moor von Yorkshire ihrem Heathcliff entgegenflog. Ab und zu reckte sich mir aus den Dornenhecken eine Knochenhand entgegen, um mich an meinem roten Wollpullover festzuhalten, aber Gladys und ich waren schneller.
    Als ich zu St. Tankred hin abbog, sah ich Ruperts kleines weißes Zelt im hohen Gras gleich hinter den Grabsteinen stehen. Er hatte es mitten auf dem sogenannten Armenfeld aufgeschlagen, zwischen jenen Grabstätten, in denen die Mittellosen zur letzten Ruhe gebettet wurden und wo es dementsprechend
zwar Leichen, aber keine Steine gab. Vermutlich hatte keiner Rupert und Nialla darüber aufgeklärt, und ich kam zu

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