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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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hereingeplatzt.
    »Zisch ab!«, bedeutete seine Miene dem Eindringling unmissverständlich. »Zisch ab, und lass mich in Frieden!«
    Also war der Maler wieder abgezischt - und nicht viel später hatte das auch Onkel Tar getan.
    Das Labor und alles, was sich darin befand, gehörte jetzt mir, und zwar schon seit etlichen Jahren. Hierher verirrte sich nie jemand, was mir nur recht war.
    Als ich den Schlüssel aus der Tasche zog, flatterte etwas Weißes auf den Boden. Es war das Taschentuch, das ich Nialla auf dem Friedhof geborgt hatte. Es war noch ein bisschen feucht.
    Vor meinem geistigen Auge tauchte ein Bild auf, das Bild Niallas, wie ich sie zuerst gesehen hatte: bäuchlings auf einem Grabstein, das Haar wie ein wogendes rotes Meer um sie herum, und die heißen Tränen, die zischend in den Staub fielen.
    Endlich ging mir ein Licht auf. Na klar!
    Meine Rache würde warten müssen.
    Mit einer Nagelschere, die ich von Feelys Schminktisch gemopst hatte, schnitt ich vier feuchte Stücke aus dem Taschentuch, wobei ich die grünen Grasflecken unberücksichtigt ließ und nur die Stellen auswählte, die den Flecken gegenüberlagen - die Stellen, in die Nialla hineingeweint hatte.

    Die Schnipsel stopfte ich mit einer Pinzette in ein Reagenzglas, dem ich sodann eine dreiprozentige Lösung Sulfosalicylsäure beifügte, damit sich das Protein absonderte. Dabei handelte es sich um die sogenannte Ehrlich’sche Probe.
    Bei der Arbeit dachte ich vergnügt daran, wie grundlegend der große Alexander Fleming die Welt verändert hatte, bloß weil er zufällig in eine Petrischale geniest hatte. Das war Wissenschaft ganz nach meinem Geschmack! Denn wer kann schon von sich sagen, er hätte noch niemals auf eine Kultur geniest? Es hätte jedem passieren können. Mir war es auch schon passiert.
    Nach dem Nieser war dem vorbildlich aufmerksamen Fleming aufgefallen, dass sich die Bakterien in der Schale zurückzogen und schrumpften, als fürchteten sie sich vor seinem Nasenschleim. Er hatte ein besonderes Protein aus dem Rotz isoliert, das Bakterien auf die gleiche Weise in die Flucht schlägt, wie es ein vor Wut schäumender Hund mit Bettlern macht. Er nannte es Muramidase, und auf eben diese Substanz zielte mein Test ab.
    Glücklicherweise waren die Gemäuer im Stammsitz der de Luces sogar im Sommer so kalt und feucht wie das sprichwörtliche Grab. Die Zimmertemperatur im Ostflügel, wo sich mein Labor befand, betrug trotz der Heizung, die zwei einander bekriegende Brüder nur im Westflügel des einst aus politischen Gründen geteilten Hauses hatten einbauen lassen, nie mehr als fünfzehn oder sechzehn Grad, was rein zufällig genau die Temperatur war, bei der Muramidase sich niederschlägt, wenn man Sulfosalicylsäure hinzugibt.
    Gebannt beobachtete ich, wie sich erst ein Kristallschleier bildete und dann in dem winterlichen Reagenzglas weiße Flocken herniederrieselten.
    Als Nächstes zündete ich einen Bunsenbrenner an und erwärmte ein Becherglas mit Wasser vorsichtig auf einundzwanzig Grad. Es dauerte nicht lange. Als das Thermometer die gewünschte
Temperatur anzeigte, tauchte ich den Boden meines Reagenzglases in das warme Bad und schwenkte es ein wenig.
    Der soeben gebildete Niederschlag löste sich auf und mir entfuhr ein entzückter Seufzer.
    »Flavia!« Vaters Stimme kam bis ins Labor heraufgeweht. Sein Ruf durchquerte die Eingangshalle, erklomm die Treppe, hallte durch den Ostflügel, schlängelte sich bis ans äußerste Ende des langen Flurs und drang jetzt durch meine abgesperrte Tür, aber schon so schlaff und so verweht, als hätte er den ganzen langen Weg aus Ultima Thule nach England zurückgelegt.
    »Abendessen!«, glaubte ich die Stimme rufen zu hören.
     
    »Es ist verflixt ärgerlich«, sagte Vater.
    Wir saßen am langen Esstisch, Vater am Kopfende, Daffy und Feely je an einer Seite und ich ganz unten, am Kap Hoorn.
    »Es ist verflixt ärgerlich«, wiederholte er, »hier bei Tisch zu sitzen und sich anhören zu müssen, wie die eigene Tochter zugibt, dass sie mein Eau de Cologne stibitzt hat, um damit irgendein vermaledeites Experiment durchzuführen.«
    Ganz gleich, ob ich derlei Freveltaten abstritt oder eingestand, Vater fand sie in jedem Fall ärgerlich. Ich konnte mich einfach nicht durchsetzen und hatte die Erfahrung gemacht, dass es am besten war, wenn ich einfach den Mund hielt.
    »Verdammt noch mal, Flavia, ich hab mir das Zeug eben erst gekauft. In dieser Hitze kann ich ja wohl nicht nach London fahren

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