Fleckenteufel (German Edition)
Bedeutung. Dann herrscht Totenstille. Ich hocke regungslos auf der Brille und tu keinen Mucks. Einundzwanzig, zweiundzwanzig. Wieso haut der nicht endlich ab, er hat mich doch schon genug gedemütigt. Meine Güte, ich verstehe nicht, wieso Leute Ewigkeiten auf dem Klo zubringen, vor allem wenn sie längst fertig sind. Lesen tut man in der Bibliothek oder in einem Lesezimmer!
Pffföörkk. Der Schlussfurz fällt auf die Essensbimmel. Nicht nur die Badezeit, auch die Mahlzeiten werden eingebimmelt. Raschel knister, der andere zieht sich rasch die Hosen hoch und geht, ohne sich die Hände zu waschen. So eine Sauerei! Mit Kackahänden zum Mittagessen in einer christlichen Gemeinschaft, das ist ja wohl das Allerletzte! Ich warte noch eine Minute, dann gehe ich auch. Während des Essens schaue ich mich unauffällig um. Irgendwo in unseren Reihen sitzt ein Monstrum, das sich höhnisch grinsend die Sachen reintut. Schaufel schaufel: sauerstechend-brackige Pranken mit starker Schwitz- und Dunstneigung, die Daumenballen mit Kotresten verschmiert, die Handflächen gelb angelaufen, in den Fingergelenkritzen Teppiche aus Kolibakterien. Ich könnte Herrn Steiß einen Tipp geben, dann würde Peter Edam mit einem kleinen Spatel von allen Verdächtigen Proben nehmen, und das Schwein müsste mit dem nächsten Zug nach Hause fahren, ohne Geld zurück natürlich. Obwohl, eigentlich kann sich Peter den Test auch sparen, denn nach menschlichem Ermessen kommt nur einer in Frage: Harald Stanischewsky, wer sonst? Ich habe in der Quick gelesen, dass sich die Deutschen von allen europäischen Völkern am seltensten die Hände waschen. Wundert mich nicht, denn Deutsche sind alles Schweine. Früher hatte ich mir nie vorstellen können, dass es den Nationalsozialismus wirklich gegeben hat, jetzt brauche ich nur jemand flüchtig anschauen und weiß sofort, welche Karriere der unter Hitler gemacht hätte: SA-Scherge, Blockwart, Gestapokommissar, Lagerleiter, Gauleiter, Göring, Hitler selbst. Im Grunde genommen haben die Terroristen recht mit ihrer Behauptung, Deutschland sei immer noch bis oben hin mit Nazis verseucht.
Scheiße hin, Kackhemmung her, ich hab Hunger. Es gibt Hackbraten, der in einer dünnen braunen Soße schwimmt, Beilage Salzkartoffeln, Erbsen und Wurzeln. Hastig fülle ich mir auf, bevor alles weg ist. Rasend schnell muss die Sättigung vonstattengehen, denn die Küche arbeitet aus Etatgründen (343 Mark) mit künstlicher Verknappung. Nachschlag, nein danke. Verhungern wird man schon nicht, nur ein wenig abnehmen, und das sieht immer gut aus. Ich gucke verstohlen zu Susanne Bohne rüber. Auch sie isst mit großem Appetit. Ihre Brüste wirken richtiggehend aggressiv, wie sie so hin- und herschaukeln. Egal, der Hackbraten schmeckt besser, als ich dachte, ich erwische sogar ein winziges Stück Tomate. Hmm, Tomate, mein Lieblingsgemüse. Wenn ich bis zum Ende meines Lebens nur noch eine Gemüsesorte essen dürfte, wäre das Tomate. Dicht gefolgt von roter Paprika und Erbsen. Erbsen schmecken am besten, wenn man sie direkt aus der Schote pult. Wenn Harald Erbsen aus der Schote pult, hat er mehr Scheiße im Maul als Erbse, denke ich. Das Mischgemüse war zu lange im Wasser und sondert eine klare gelbe Flüssigkeit ab. Auch die Kartoffeln sind verkocht, sie fallen auseinander, bevor die Gabel den Mund erreicht. Ist das alles eklig. Detlef scheint es nicht zu stören, er arbeitet wie immer mit ungeheuren Salzmengen nach. Wieso fällt das niemandem auf?
Was bei den fünf Freunden wohl gerade so auf dem Tisch steht? Knuspriges Spanferkel, kalter Braten, Fischteller, Fischsuppe. Pommes frites. Selbstgemachter Eierstich, Gemüsesuppe mit Hühnchen. Schweres, dampfendes Bauernholzofenbrot. Zum Nachtisch exotischer Obstsalat, Eisbombe, hausgemachte rote Grütze mit Vanillesauce, Schokokuchen mit flüssigem Kern. Waldmeisterbrause, diverse Säfte, Mokka.
Bei Frau Thieß gibt’s zum Nachtisch Vanillepudding mit Haut und dicker Kirschsoße. Das schmeckt jetzt aber echt mal richtig scheiße. Und der ewige Tee. Wie kann man überhaupt auf die Idee kommen, Kinder und Jugendliche mit Tee zu foltern. Meine Mutter schießt in dieser Beziehung den Vogel ab: Wenn ich nach dem Sport oder Spielen nach Hause komme, serviert sie mir nicht etwa eine herrlich zischende Brause mit extra viel durstlöschender Kohlensäure, sondern brühheißen Tee. Das muss man sich mal vorstellen, kann sich kein Mensch vorstellen: Man hat getobt und geschwitzt und sonst was
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