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Fleckenteufel (German Edition)

Fleckenteufel (German Edition)

Titel: Fleckenteufel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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gemütlich, ah, herrlich, Wind, Sonne, Wolken. Doch plötzlich verwandeln sich die dicken Borsten in Fangarme, die die Viecher in den Schlund hineinziehen und im giftigen Schleim ersäufen.
    Was ich mir schon wieder ausdenke. Ich schäme mich, aber schließlich kann ich nichts dafür, wenn meine Phantasie gelegentlich mit mir durchgeht. Außerdem habe ich nichts Böses gedacht.
    Ich sitze am Strand und beobachte das Geschehen. Neben mir der einzige Typ, der mir bei den Kennenlernspielen wirklich aufgefallen ist: Tiedemann. Er hat die längsten Haare von allen, seine Jeans sind total verwaschen und zerrissen, und er trägt einen sogenannten Pfeffer-und-Salz-Mantel. Geil, so was tragen eigentlich nur Penner und alte Opis. Seine Stimme klingt monoton und leierig, und so bewegt er sich auch, schläfrig, echsenhaft. Ein echt cooler Typ, ganz anders als die anderen, die daueraufgeregt sind und Angst davor haben, ins Hintertreffen zu geraten oder etwas zu verpassen oder unbeliebt zu sein oder was falsch zu machen. Tiedemann macht gar nichts, dann kann man auch nichts falsch machen. Eine Mischung aus Penner und Rockstar. Ich verstehe nicht, was so einer auf einer Familienfreizeit sucht. Instinktiv spüre ich, dass ich mir viel von ihm abgucken kann, und ich nehme mir vor, irgendwie in seinen Dunstkreis zu kommen. Er hält offenbar ebenso wenig vom Schwimmen wie ich. Mit seinem Pfeffer-und-Salz-Mantel sitzt er im Sand und guckt schläfrig. Tiedemann in Badehose, unvorstellbar, passt einfach nicht, außerdem wäre er auch nicht Tiedemann, wenn er wie die anderen Beknackten gleich ins Meer hüpfen würde. Er ist der Einzige, bei dem ich mir ernsthaft vorstellen kann, dass er nicht wichst. Weil er’s nicht nötig hat. Meine Bewunderung für ihn kennt jetzt schon keine Grenzen. Tiedemann, geiler Typ.

Darmverschluss
    Halb eins, normalerweise habe ich um die Zeit schon längst gekackt. Zwei Mahlzeiten gären in mir, und ich habe noch nicht mal einen Fingerhut wieder ausgeschieden. Woran es genau liegt, weiß ich auch nicht: Aufregung, Nahrungsumstellung, frische Luft, ungewohntes Bett, Insekten; auf der Jugendfreizeit konnte ich volle drei Tage nicht auf Klo, da hab ich’s echt mit der Angst zu tun bekommen. In einer halben Stunde ist Mittagessen, dann kommt noch eine ganze Mahlzeit hinzu. Verstopfung führt unweigerlich zu Darmverschluss, und dann ist Feierabend. Daran werde ich sterben und nicht an Gehirnschlag, Krebs oder Autounfall. Der Darm kann die übervolle Ladung nicht mehr halten, er ächzt und stöhnt und quietscht und rumort, doch irgendwann nützt alles Nachgeben und Dehnen nichts mehr, es bilden sich winzig kleine Risse, durch die der Kot heraussickert und von innen her den Organismus vergiftet. Genau so wird’s kommen, es gibt Dinge, die weiß man eben.
    Ich muss es wenigstens mal versuchen. So kurz vor dem Essen ist die Baracke sicher leer. Sicherheitshalber lege ich mich auf den schmutzigen, nassen Boden und gucke, ob in einem der beiden Verschläge irgendwelche Füße herumscharren. Nichts zu sehen, nichts zu hören.
    Durch leichten Druck auf die Rosette versuche ich, den Schließmuskel zu stimulieren, Sesam, öffne dich. Jetzt heißt es beten. Ich starre an die Tür und versuche an irgendwas Neutrales zu denken, an Oma, mein Fahrrad, einen Waldspaziergang. Bringt nichts, Kackhemmung, alles seelisch. Ich hänge auf dem ungeheizten Jugendklo, und durch den erbarmungslosen Ostseewind zieht sich der Schließmuskel zusammen, anstatt sich zu weiten. Ich muss es mit stärkerem Drücken probieren, presse die Lippen zusammen und zähle bis zehn. Bis fünf baue ich den Druck auf, dann wieder ab, mehrmals nacheinander. Keine Ahnung, ob das die richtige Methode ist, aber irgendeine Methode muss man sich schließlich ausdenken. Nichts. Vom Drücken bekommt man Hämorrhoiden, und wenn man’s übertreibt, sogar einen Leistenbruch. Ach, Gottachgott, warum kann das Leben nicht ein klein wenig leichter sein, ich hab doch noch gar nichts verbrochen.
    QNNÖÖÖÖIIIIRRRRZZ!
    Die Barackentür! Bitte bitte, jetzt nicht das auch noch! Ein Konkurrent, einer, der es besser kann und macht, schlurft in den Nebenverschlag. Laut furzend lässt er die Hosen herunter, und dann brüllt sein Arsch in die Schüssel, aber richtig. Er prustet, schreit, winselt, schreit, röhrt, brummt und schnarrt, animalische Laute, die Entleerung hat nichts Menschliches mehr. Die Redensart jemanden zusammenscheißen erschließt sich mir nun in ihrer vollen

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