Fledermaeuse und andere Leute
entschied mich für einen netten Chemiker aus Westfalen, ohne zu ahnen, dass ich damit das große Los gezogen hatte für zwölf unvergleichlich glückliche Jahre.
Beginnen wir am Tag des ersten Treffens. Beim Kaffeetrinken machten die Kinder eifrig Konversation: »Wie schmeckt Ihnen denn Mamis Kuchen? Hat sie extra für heute gebacken!«
»Und wie finden Sie Mamis neue Bluse und ihren schicken Goldgürtel?« Und zu mir: »Aua, warum trittst du mich denn?!« Und als ich mal kurz nach draußen ging, um mir die Nase zu pudern, schlug meine Tochter dem Fass den Boden aus, indem sie freundlich feststellte: »Wissen Sie, wir finden Sie richtig nett. Wenn wir daran denken, was uns unsere Mutter sonst so anschleppt!«
Letzteres erzählte mir der nette Chemiker aus Westfalen erst lachend nach der Trauung, weil er fürchtete, ich könnte denken, dass er denkt, was ich womöglich denken würde … oder so!
Jahre später, als meine Kinder erwachsen waren, glaubte ich, ich sei endlich gefeit gegen weitere interessante Mitteilungen an andere Leute über meine Wenigkeit.
Doch weit gefehlt. Seit sechs Jahren bin ich nun mit einem Enkel gesegnet, der – wie zuvor seineMutter, seine Tante und sein Onkel – für sein Leben gern aus dem Nähkästchen plaudert, vorzugsweise aus dem seiner lieben Großmutter. Bisher hatte mich das nicht weiter gestört. Doch seit seiner Einschulung kommen seine Mitschüler und die Lehrerin aus dem Staunen und Lachen nicht mehr heraus. Als Letztere zum Beispiel gleich in den ersten Tagen aus einem der entzückenden Kinderbücher von Dimiter Inkiow Meine Schwester Klara und ich vorliest, sagt Mäxchen wie aus der Pistole geschossen: »Meine Omi ist auch eine Künstlerin, ich möchte auch mal so ’ne Künstlerin werden wie meine Omi.«
»So«, sagt die Lehrerin, und alle sehen ihn ungläubig an.
»Ja«, trumpft Max auf, »die hat nämlich aus Klara und ihrem Bruder Kassetten gemacht. Die darf ich immer bei ihr vor dem Schlafengehen hören.«
Meine Tochter klärt die Lehrerin später auf, dass die Omi dazu nur die Drehbücher geschrieben hat. Na, wie dem auch sei! Sicher ist, dass die anderen Kinder auch Geschichten von ihren Großmüttern erzählen können. Doch Max gelingt es immer wieder, alle anderen Omas mit der seinen zu übertrumpfen.
»Meine Omi ist auch schon alt. Aber nur ein kleines bisschen. Die kann nämlich noch ganz alleine den steilen Berg runtergehen, und ich muss ihr nich’ an der Hand halten. Meine Omi fährt Rollerskates, und meine Omi kann Fußball spielen.«
Die Lehrerin fragt am nächsten Elternsprechtag amüsiert: »Ich gehe wohl richtig in der Annahme, dass ›meine Omi‹ immer ein und dieselbe Omi ist?« Und meine Tochter muss geknickt zugeben: »Jaja, das ist meine Mutter, aber die ist Kummer gewöhnt!«
Zweifellos ist »meine Omi« der absolute Knüller in der ersten Klasse einer Kölner Grundschule, und meine Tochter überlegt, wie sie die Erzähllust ihres Sohnes am besten bremsen kann. Aber die Krone setzt Max dem Ganzen auf, als die anderen Kinder damit beginnen, auch von ihren jeweiligen Großvätern zu erzählen. Triumphierend verkündet er: »… aber meine Omi hat gaanz viele Männer!!« Höre ich da nicht ein Echo?! Aber was soll’s! Schließlich lässt es sich nicht leugnen, dass ich zweimal verheiratet war, und dann hatten wir Felix, der uns allerdings eines Tages verließ, um nach Hannover zu gehen – wegen Arbeit und anderem.
Trotzdem knöpft sich meine Tochter ihren Sohn vor und erklärt ihm, dass es Dinge im Leben gibt, die besser in der Familie bleiben, »sonst gerät die Omi noch in ein schiefes Licht«.
Das versteht der Junge nun überhaupt nicht. »Wieso? Die Omi ist doch einfach geil!«
»Himmel«, erschlagen gibt seine Mutter auf und nimmt ihren Sohn mit in den Supermarkt. »Du darfst auch aussuchen, was wir heute kochen«, versucht sie, ihn abzulenken.
»Klasse«, freut sich der Knabe, »Hamburger mit Ketchup, Majonaise und … Eis!«
Der Einkauf verläuft ohne Komplikationen … bis zur Fleischtheke, da müssen sie warten. Allmählich beginnt Max, sich zu langweilen, und bevor ihn seine Mutter zurückhalten kann, sagt er mit Grabesstimme zu der Verkäuferin: »Ich habe heute Nacht vielleicht was Furchtbares geträumt, gaaanz schrecklich, sag ich dir«, und er verdreht die Augen. »Du würdest dir vielleicht wundern!«
»Na so was«, sagt die so Angesprochene und beugt sich mit Neugier und einer Scheibe Fleischwurst über die Theke,
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