Fledermaeuse und andere Leute
Was sie sagt, ist wiedas Amen in der Kirche, da kann seine Mutter tun und lassen was sie will! Sie begrüßt uns gleich an der Tür. »Ach«, sagt sie lachend, »und Sie sind Mäxchens coole Omi, nicht wahr? Das freut mich aber.«
Ich bin so verdutzt, dass mir fast ein Knick in die Mimik gerät. Drinnen hocken schon viele Eltern an niedrigen Tischchen und Stühlchen, die eigentlich mehr für sechsjährige Beine gedacht sind. Ich sehe mich suchend um. Da winkt mir eine freundliche ältere Dame zu und zeigt auf das Stühlchen neben sich. Ich quetsche mich durch die voll besetzten Reihen. Wahrscheinlich braucht sie meinen Beistand. Sie sitzt nämlich eingekeilt zwischen jungen Vätern und Müttern mit diesem Mein-Kind-ist-ein-Musterschüler- Gesichtsausdruck. Ich reiche der Dame die Hand und sage grinsend: »Guten Abend, ich bin leider nur eine Großmutter.«
Sie lacht: »Etwa ›meine Omi‹ von Max?« Ich nicke ertappt.
»Na toll«, freut sie sich, »und Jule ist meine Enkelin. Die Kinder kennen sich bereits aus dem Kindergarten.«
»Gott sei Dank«, erwidere ich und schaue mich um, »jetzt verstehe ich auch, warum sich unsere Töchter vor so viel geballtem Elternehrgeiz drücken.«
Meine Banknachbarin lacht. »Ja«, stimmt sie zu, »das weiß ich noch von früher. Nur Eltern lassen Eltern gerne fühlen, dass ihre Kinder schlauer sind als alle anderen. Dabei sind unsere beiden Kinder … äh … Enkel auch nicht dämlicher, im Gegenteil, nur zu bescheiden, um es so offensichtlich zur Schau zu stellen.«
Die Lehrerin ist vor die Klasse getreten. Sie hatschon dreimal »Liebe Eltern …« gesagt, während wir noch schwätzen und albern kichern. Schon habe ich einen Ellenbogen von rechts in den Rippen, und man macht »pscht, pscht« in unsere Richtung. Ach ja, hatten wir ganz vergessen. Wenn der Lehrkörper spricht, müssen die Kinder schön ruhig sein!
Die Lehrerin begrüßt uns alle noch einmal herzlich und freut sich, dass wir so zahlreich erschienen sind. Danach kommt sie gleich zum Wesentlichen: Sie liest uns die Leviten. Dass immer mehr Kinder anstelle von gesundem Vollkornbrot und Obst nur noch Geld mitbekommen, um sich an der nahen Imbissbude Süßes und Cola zu holen. Und erst die Schulranzen! Außen das Teuerste vom Teuersten, innen aber heillose Unordnung, Eselsohren und Fettflecke an den Heften. Jules Oma und ich haben das Gefühl, dass sie besonders rügend in unsere Richtung schaut, dabei sind wir doch bloß die Großmütter!
Und dann die Reizüberflutung durch das viele Fernsehen, unverantwortlich! Na und erst die Computerspiele!!
Als wir alle unser Fett weg haben, wird für die Klassenfahrt nach Bonn ins Königsmuseum gesammelt. Ich wollte eigentlich drei Euro spenden, doch die junge Mutter neben mir gibt fünf Euro, also geben Jules Oma und ich auch fünf Euro. Sonst heißt es womöglich später noch: »Guck mal, typisch Rentnerin. Hohe Pension, aber nicht mal fünf Euro für die kulturhistorische Bildung ihrer Enkel!«
Anschließend erklärt uns die Lehrerin, was sie mit der Klasse als Nächstes machen wird. Die Kinder sollen ein Bild zeichnen zum Thema »Ich und meine Familie« und dann etwas dazu erzählen. Sie möchte gerne von den Kindern selbst hören, wie sie sich und die ihren sehen, und hofft, dass sie das eindrucksvoll und mit all ihren Ausdrucksmöglichkeiten darstellen.
»Um Himmels willen«, sage ich erschrocken zu Jules Oma, »da kann ich ja nur hoffen, dass Max seine geballten Eindrücke mal zu Hause lässt. Sonst ist die ›geile‹ Großmutter bloß wieder Mittelpunkt seiner außergewöhnlichen Ausdruckskraft.«
Die Lehrerin lacht, Jules Oma ebenfalls, doch es trifft mich auch gleichzeitig so manch unwilliger Elternblick.
Kaum ist diese Aktion beendet, streben einige junge Väter zur Tür hinaus. Jules Oma und ich wissen auf Anhieb: Jetzt gehen sie auf den Flur, um zu rauchen. Jaja, Sucht ist schon etwas Schlimmes. Gut, dass wir aus diesem Alter heraus sind!
Nach der Pause dürfen Fragen gestellt werden. Es melden sich immer dieselben, meistens übereifrige Mütter. Das kenn ich auch noch von früher. Es sind die Gründlichen, die Nörglerinnen, die Wichtigtuerinnen, die versuchen, ihren Worten Gewicht zu verleihen, indem sie Anstöße geben zu Elternratssitzungen, Beschlüssen und Ausschüssen. Daneben gibt es aber auch immer die Schwätzerinnen und Lachenden, so wie Jules und Max’ Großmütter, die Störenfriede, die ständig zur Ordnung gerufen werden müssen.
»Hat
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