Fledermaeuse und andere Leute
Schokofee damals war doch wirklich eine klasse Idee, nicht wahr?«
Max nickt verstehend, sehr erwachsen, aber auch ein wenig enttäuscht. Und dann fasst er abschließend und sehr sachlich Folgendes zusammen:
Die Schokoladenfee wohnt im Schokoladenmuseum unten am Rhein, das aussieht wie ein echter Dampfer. Sie trägt einen goldenen Umhang und eine goldene Krone, und ihr Zauberstab ist eine rot-weiß-geringelte Zuckerstange. Damit haut sie auf eine Riesenschokoladenfertigungsmaschine, und es kommen lauter Sachen aus Schokolade herausgepurzelt, die sie dann heimlich an artige Kinder verteilt. Ihm bringt sie immer Süßigkeiten in die olle Kakaodose von der Omi. Einmal hat sie ihm sogar einen Schokoladenfußball gebracht. Der passte aber nicht in die Dose, sondern lag eines morgens eingepackt in Cellophanpapier am Fußende seines Bettes. Damit konnte man aber nicht Fußball spielen, den musste man essen. Leider haben Frieda und Anton das Meiste davon geklaut und aufgefressen.
Dafür hat die Schokofee ihm dann später einen echt silbernen Roller gebracht. Der ging auch nicht in die Schokodose, deshalb stand er auf dem Küchenfußboden. Das durfte er auch ruhig, weil Dackel nämlich kein Silber fressen … »Hah, und das alles habe ich tatsächlich mal geglaubt! Aber da war ich ja auch noch ein ganz kleines Kind!«
Am nächsten Morgen höre ich, wie mein »großer« Enkel wie eh und je leise die Treppe hinunterschleicht, behutsam die Schokoladendose öffnet und kurz darauf äußerst ärgerlich sagt: »Mann, so was, Mänsch, die war ja immer noch nich’ da!«
Womit er ganz eindeutig nicht seine liebe Großmutter meint!
Die Gedanken sind frei
A nton war ein rehbrauner Kurzhaardackel und hieß eigentlich Theodore de Sanville.
Aber Mäxchen hat ihn von klein auf immer Anton gerufen, »wegen er aussieht wie Mamas Freund Toni«, den diese allerdings immer Anton rief, wenn es ernst wurde. Dabei blieb es, obwohl wir beim besten Willen keine Ähnlichkeit zwischen dem Dackel und dem damaligen Freund von Mäxchens Mama feststellen konnten. Vielleicht mit Ausnahme seiner braunen Wildlederjacke: Die hatte bei großer Fantasie doch etwas von Antons Fell.
Anton (der Dackel) war schon sechs Jahre alt, als meine Tochter Mäxchen zum ersten Mal in seiner Tragetasche zu uns brachte. Der Hund sah das Baby nicht einmal an und hielt es für völlig überflüssig. Schließlich hatten wir ja ihn zum Schmusen, Streicheln und Verwöhnen. Außerdem mochte er sowieso keine kleinen Kinder. Ständig ärgerten sie ihn von außen durch den Zaun, sobald er sich im Garten blicken ließ, und er musste sich dann immer so furchtbar aufregen, dass er bald keine Stimme mehr hatte.
Und so kamen wir vor lauter Zärtlichkeiten nach rechts und links kaum aus dem Händewaschen heraus, erreichten aber schließlich, dass Anton den Max nicht nur akzeptierte, sondern auch in sein Herz und sein Verteidigungsprogramm mit einschloss. Nur gehorchthat er ihm nie! Mäxchen rief, lockte, schmeichelte und drohte, Anton, ganz dickköpfiger Dackel, kam oder er kam eben nicht.
Als Max anfing zu krabbeln, klaute er Anton seine Büffelhautknochen, Gummibällchen und Quietschetiere. Der revanchierte sich, indem er alles Holzspielzeug, das er erwischen konnte, in seine Einzelteile zerlegte und später Legosteine und Playmobilmännchen verschleppte.
Max’ Kindheit wäre ohne Anton einfach stinklangweilig gewesen. Und da seine Mutter allein erziehend und berufstätig war, und somit Tierhaltung daheim undenkbar, verbrachte ihr Sohn bis zum Schulbeginn die meiste Zeit bei uns im Oberbergischen. Auch als Anton älter wurde und wir ihm Frieda, die Zwergrauhaardackelin, dazuholten, blieb er die Nummer eins in Max’ Leben.
Im Laufe der acht gemeinsam verbrachten Jahre ließ er sich so einiges von Max gefallen. Nur manchmal, wenn es Anton zu bunt wurde, gab er ein dunkles Grollen von sich und zeigte auch schon mal seine Zähne. Parierte Max nicht auf der Stelle, dann schnappte er auch schon mal hin und wieder kurz zu, ohne allerdings seinen kleinen Freund ernsthaft zu verletzen, nur einfach so, um zu zeigen: »bis hierher und nicht weiter«. Seine Mutter konnte schnappen so viel sie wollte, ihr hat Max nie gehorcht.
Heute ist Anton ein sehr alter Herr. Mit fünfzehn Jahren fast taub, die Augen lassen nach, und ihn plagt das Rheuma in allen Knochen. Max geht seit einem Jahr in die Grundschule und hat nicht mehr so viel Zeit für seinen Hundefreund. Doch so oft er kann, kommt er
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