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Fledermaeuse und andere Leute

Fledermaeuse und andere Leute

Titel: Fledermaeuse und andere Leute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Helm
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dass man anschließend liebevoll Abschied nehmen kann von dem Verstorbenen, bevor der Sarg dann fortgebracht wird für die Feuerbestattung. »Und später kommt die Asche dann in eine Urne, die …«
    »Was is ’n das, ’ne Urne?«
    Ich habe den Eindruck, dass Max die ganze Angelegenheit sehr spannend findet.
    »Ja«, bestätigt er, »fast so wie die Geschichten von Harry Potter.«
    Himmel! So viel Selbstverständlichkeit im Umgang mit dem Tod ist mir zwar etwas unheimlich, doch ich muss die Sache nun, so gut ich kann, zu Ende führen.
    »Tja«, beginne ich wieder, »eine Urne ist …, also, eine Urne ist …, na eine Urne ist so etwas Ähnliches wie eine Dose.«
    »Wie meine Dose von der Schokoladenfee?«
    »Nein«, sage ich, »die kann man doch nicht zuschrauben. Auf eine Urne kommt ein fester Deckel und …«
    »Klar, Omi«, Max versteht sofort, »sonst wäre der
    Dietrich ja rausgefallen, als ihr ihn in die Ostsee geschmissen habt.«
    »Ach Mäxchen«, sage ich bekümmert, »wir haben die Urne doch nicht einfach ins Wasser geschmissen.«
    »Nee? Los, dann erzähl doch mal!«
    Und so erläutere ich weiter, dass man mit der Urne einen kleinen Dampfer besteigt, der dann hinaus aufs offene Meer fährt. An einer vorbestimmten Stelle wirft das Schiff Anker, der Kapitän spricht ein paar feierliche Worte, und dann wird die Urne ganz behutsam ins Wasser hinuntergelassen.
    »Und dann habe ich noch mit vielen lieben Gedanken einen dicken Strauß von Dietrichs Lieblingsblumen hinterhergeworfen, die langsam und abschiednehmend in die See hinausgeschwommen sind.«
    »Wow«, sagt Max ergriffen, und ein Schauer läuft seinen schmalen Jungenrücken hinunter, »aber warum wollte dein Mann denn so ’ne Seebestattung haben?«
    »Ja weißt du«, sage ich lächelnd, »der Dietrich hat die Ostsee so sehr geliebt, dass er nach seinem Tod dort unten liegen wollte, um Tag und Nacht die Wellen rauschen hören zu können.«
    »Waas«, Max sieht mich erstaunt an, »sind die Ohren etwa nicht mit verbrannt?!«

Die elektrische Eisenbahn
    Schade«, sagt Mäxchen plötzlich bedauernd einen Tag nach unserer Unterhaltung über Dietrichs Seebestattung, »wenn dein Mann noch leben würde, dann hätte ich jetzt eine geile elektrische Eisenbahn mit allen Schikanen.«
    Wir stehen vor dem Schaufenster des einzigen Spielwarenladens in unserem oberbergischen Dorf. Dort dreht eine Lok mit Personen- und Güterwagen zwischen Häuschen, Bäumchen, einem künstlichen See und durch zwei Tunnels ihre Runden.
    Tja, da hat er nicht so ganz Unrecht. Nach dem Auszug unserer Kinder und seiner Pensionierung hatte Dietrich sich einen Kindheitstraum erfüllt nach dem Motto: »Nur sie und ich«, und dabei ganz sicher nicht seine liebe Ehefrau gemeint. Er begann mit einer so genannten Startpackung: Trafo, Gleisoval, Lokomotive, ein paar Wagen und einem Tunnel. Doch sehr schnell wuchs sich dieses Unternehmen zu einer selbst gebastelten Drei-Etagen-Anlage aus, die den gesamten Hobbyraum in Beschlag nahm, mit fünfzehn Loks, unzähligen Waggons, vier Trafos, einer komplizierten Schaltanlage, Häuschen, Bäumchen, Figürchen, einem Bahnhof, Brücken, Lämpchen und allem, was sonst noch so dazu gehört. Dietrich bastelte, klebte und brachte mit der Pinzette mikrofeine Teilchen an. Der Bastel- und Spieltrieb machte aus einem gestandenenSechzigjährigen wieder einen kleinen Jungen und unseren Dackel Anton nach vier Jahren Schoß- und Knuddeltier zu einem echten Jagdhund; denn sobald die elektrische Eisenbahn lief, hockte er sich mucksmäuschenstill auf eine der untersten Treppenstufen zum Hobbykeller und wartete gespannt, bis der Zug die niedrigste Ebene erreicht hatte. Dann machte er überraschend einen Satz, schnappte sich die Lok und flitzte mit seinem Fang nach oben ins Körbchen, wo er seine Beute in Windeseile fein säuberlich in ihre Einzelteile zerlegte, bevor mein Eisenbahner ihn erwischt hatte.
    »Ach ja, mein Anton!« Mäxchen seufzt tief in Erinnerung an seinen Lieblingsdackel. Doch dann kommt er auf die elektrische Eisenbahn meines Mannes zurück. Die Mama hat ihm nämlich erzählt, dass der Dietrich gesagt hat, derjenige von meinen diversen Nachkommen, der ihm das erste Enkelkind präsentiere, erhalte die gesamte Eisenbahnanlage … so es denn ein Junge sei!
    »Ja«, sagt Max, »und ich bin der Erste und ein Junge, nich’?« und dann in strengem Ton: »Warum hast du also die elektrische Eisenbahn nach Dietrichs Seebestattung verkauft?!«
    Vorwurfsvoll schaut er

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