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Flegeljahre am Rhein

Flegeljahre am Rhein

Titel: Flegeljahre am Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ruland
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Verbeugungen macht.
    Eben kommt die Frau Studienrat mit ihrem Bruno und... Seht mal da, was Civilis für Augen macht! Da ist Hilde! Civilis gehen ein paar wunderschöne Träumereien durch den Kopf. Gamaschke braucht auch nicht traurig zu sein. Ännchen ist gekommen. Da geht sie. Da guckt sie sich um. Da hat sie ihren Gamaschke entdeckt und setzt sich.
    Gupp, dem die ganze Sache nicht behagt, peilt auch in der Gegend herum. Die ganze Klasse weiß es ja, daß Gupp verliebt ist. Natürlich soll seine Kleine heute abend kommen. Wo bleibt sie nur? Endlich! Wo warst du nur so lange, kleine schwarze Katze?
    Fize schließt die Türe. Tithemi begibt sich feierlichst, langsamen Schrittes, Kopf hoch, sieghaftes Lächeln im runden Gesicht, gestreifte Hose um kurze Beine, schwarzen Rock um sein Tönnchen, auf seinen Platz zu den Herren Amtsgenossen. Das Murmeln, das die Aula erfüllt, verebbt. Man wittert die Eröffnung des Abends. Man setzt sich gerade. Man zieht am Schlips. Man sieht, ob die Blume schön auf dem Brustausschnitt steckt. Man tut so, als ob man gespannt wäre. Man entdeckt — ja, wo ist eigentlich der Redner des Abends? Man blickt unauffällig die Reihe der Herren Pauker ab. Man hört die Fenster schlagen, die Fize eben schließt. Aber der Redner des Abends ist nicht zu sehen.
    Doch Tithemi ist da. Er steht schon auf dem Podium. Gamaschke studiert eifrig einen kleinen Zettel, auf dem er das Programm des Abends zusammengestellt hat. Tithemi räuspert sich. Ruhe im Saal! Mathilde blickt stolz zum Podium. Ihr Männe ist es, der da spricht.
    Zuerst freut sich Tithemi einmal. Über den zahlreichen Besuch. Jede Rede muß damit beginnen, daß man seiner Freude Ausdruck verleiht. Tithemi besorgt es tüchtig. Er hat auch allen Grund dazu. An einem schönen Sommerabend ein vollbesetztes Haus zu sehen, das will schon etwas heißen. Dann muß er etwas bedauern. Auch das gehört zu einer Begrüßungsrede. Schwamm hüstelt. Hoi hustet. Der Redner des Abends ist leider erkrankt. Schließlich stellt Tithemi etwas mit Genugtuung fest. Audi das macht sich in jeder Rede gut. Er stellt nämlich mit stolzer Freude fest, daß er für den Ausfall der Rede eine besondere Überraschung habe: die Oberprima, die sich dem pp. Publikum zeigen werde.
    Tithemi hat noch einen Trost mitzuteilen. Wenn der noch in einer Rede erscheint, dann ist sie ganz abgerundet. Der Trost sind Fräulein Klothilde und ihre lyrischen Soli. Als Tithemi das sagt, geht Emma das Herz über. Hilde zieht schnippische Lippen. Civilis hat es von fern gesehen und gibt ihr recht. Lyrische Soli — so ein Unsinn.
    „... und nun, meine Damen und Herren, verehrte Gäste, hat die Oberprima das Wort, wird uns Fräulein Klothilde…“
    Das letzte versteht man nicht mehr richtig. Die Oberprima klatscht. Kilian klatscht mit. Jawohl, es ist seine Klasse, die jetzt einmal zeigen wird, was sie kann.
    Willi II begibt sich an den Flügel, dessen „Flügel“ gewichtig hochgeklappt ist. Er setzt sich. Ruckt sich in Positur. Hebt die Hände an zum Spiel. Springt wieder hoch und posaunt in den Saal mit Temperament und Schneid und Humor:
    „Nein, meine Herrschaften, nicht ich! Fräulein Klothilde Lehrmann hat zuerst“ — er macht eine kesse Verbeugung zu dem Mädchen in Rosa — „das Vergnügen zu spielen, und wir haben die Ehre, sie zu hören! Meine Herrschaften — Vorschußlorbeeren, bitte!“
    Die ganze Aula klatscht. Willi II ist der geborene Conferencier. Klothilde wird rot und röter, ihr rosa Kleid ist blaß dagegen. Klothilde versucht, schreitend den Flügel zu erreichen. Sie watschelt aber. Das Kind ist gar nicht schüchtern. Emma stellt es mit Freude fest. Klothilde... einen Augenblick, bitte sehr, Willi II muß den Rundsitz des Klavierschemels noch etwas tiefer schrauben, damit die Künstlerin mit ihren Füßen die Pedale erreicht.
    So — Klothilde darf sich setzen. Sie stellt die Notenblätter auf. Willi II tritt dezent an die Seite. Ruhe! Pst, die Lyrik naht. Sohlensacht und voller Gefühl. Klothilde spielt. Rauschender Beifall hauptsächlich bei der Oberprima. Da capo muß wegen großer Programmfülle ausfallen.
    Willi II wird weiter konferieren. Gamaschke spricht einige Begrüßungsworte seitens seiner Klasse. Schema siehe oben, Rede Tithemi. Der Trost ist allerdings gestrichen. Trost braucht die Oberprima keinen. Civilis deklamiert eine Ballade. Er spricht sie nur für Hilde... Mit Pathos, mit dem ganzen Schwung seiner neunzehn Jahre. Bobby erzählt Anekdoten —

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