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Flegeljahre am Rhein

Flegeljahre am Rhein

Titel: Flegeljahre am Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ruland
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hinauf, anstatt...?
    Da stimmt etwas nicht. Sollte sie vielleicht...? Dem x 2 ist nicht zu trauen, der hat schon lange ein Auge auf die fesche Hilde mit den schönen Beinen geworfen. Gegen einen jungen Pauker mit Geld kommt natürlich ein Primaner nicht an. Civilis macht ein ganz belämmertes Gesicht. Schön, man wird ja sehen. Er geht ihr nach, hat sie bald auf zwanzig Schritt eingeholt. Das genügt. Sonst fällt er auf. Hilde biegt in die Sternstraße ab. Nanu — will sie denn wirklich nach Hause? Civilis macht Riesenschritte und hat sie bald eingeholt.
    Soll ich, soll ich nicht...? Natürlich soll ich. Er riecht schon ihr feines Parfüm. Da weiß er ganz bestimmt, daß er soll. Er sieht schon ihre blonden Locken unter der Hutkappe hervorquellen. Da weiß er es noch bestimmter.
    „Verzeihen Sie gütigst, darf ich Sie...?“
    „Danke sehr, ich bin gleich da.“
    Hilde schaut sich den kühnen jungen Mann einmal an. Er sieht nicht schlecht aus. Er ist sogar... Man kann mal etwas langsamer gehen. Civilis bringt seine ganze Frechheit auf.
    „Wirklich schon...?“
    Hat das schöne Fräulein Hilde ihren Schritt nicht noch mehr verlangsamt? Es sieht fast so aus.
    Civilis sieht einmal nach oben, wo so ein wundervolles samtenes Blau mit Lichtern liegt, der schöne Sommerhimmel, und da...
    „Es wäre so schön, mein Fräulein, wenn wir noch etwas Spazierengehen könnten!“
    Das wäre wirklich sehr schön. Hilde scheint gar nicht abgeneigt zu sein. Sie schnuppert mit ihrem Näschen ein bißchen die milde Luft.
    „Allerdings, das könnte sehr schön sein...“
    „Nun sagen Sie doch schon ja! Kommen Sie, wir wollen noch etwas Spazierengehen!“
    Die Eltern sind im „Rebstock“. Sie werden vorläufig nicht nach Hause kommen...
    „Gut, zehn Minuten! Sie haben übrigens großartig vorgetragen, Herr...“
    Civilis verbeugt sich, nennt seinen Namen.
    „Wie, Sie haben mich gleich hier wiedererkannt?“ Civilis’ Herz schlägt Purzelbäume. Mensch, das sind ja Chancen, die muß ich nutzen.
    „Kommen Sie, wir gehen die Kaiserstraße hinauf. Wirklich, ein wundervoller Abend!“
    Wundervolle Abende haben es in sich. Man weiß nie, wie sie enden werden. Jedenfalls nicht nach zehn Minuten. Außerdem findet es Hilde in Rheinstadt ja sooo langweilig. Wenn dann mal so ein junger Mann...
    „Fräulein Hilde, darf ich Sie noch einmal wiedersehen?“

Man spricht von Klothilde

    Dienstag morgen. Erste Stunde: Französisch bei Bruno. Keinem ist es nach Französisch zumute. Die ganze Klasse ist müde. So ein anstrengender Tag wie gestern — da soll einer nicht morgens abgespannt und verschlafen sein! Civilis hat seine Arme auf das Bankpult gestützt, hält seinen Kopf in ihnen verborgen. Gamaschke sitzt auch nicht viel besser da. Krischan ist überhaupt noch nicht erschienen. Sauerbrunnen macht ein sehr mieses Gesicht.
    Gupp kauert auf seinem Platz, döst, lächelt still vor sich hin und trommelt ganz in Gedanken mit einem Federhalter auf die Bank. Der Schlaf steht ihm noch in den Augen. Aber seltsam, bei Theobald war er nicht gestern abend. Keiner hatte gefehlt nach dem großen Erfolg in der Aula. Auch Civilis und Gamaschke sind später nachgekommen. Doch Gupp war nicht da. Wo steckte er nur...? Man weiß es nicht. Bobby hat ihn zuletzt gesehen, als er mit seinem Mädchen Arm in Arm über die Strohgasse ging. Man soll Gupp auch nicht fragen. Er ist alt genug. Er darf tun, was ihm beliebt. Er hat sich bei Gamaschke entschuldigt, daß er gestern abend nicht mehr zum „Vater Rhein“ gekommen ist. Bobby will eben einen Witz erzählen, da kommt Krischan ganz verkatert in die Klasse und meldet die Ankunft Brunos.
    „Bon jour, mes amis!“
    Die amis antworten kaum. Brummig, leise, uneinheitlich. Bruno ist es auch nicht viel besser zumute. Sogar im „Rebstock“ ist gestern abend oder heute morgen, wie man will, sehr spät das Licht gelöscht worden.
    „Wir werden heute etwas wiederholen... Großartig haben Sie das gestern gemacht! Ich gratuliere Ihnen! Respekt vor der Klasse! Auch meine Frau und meine Tochter waren begeistert.“
    Civilis fühlt sich angesprochen. Die Begeisterung der Tochter Hilde bucht er ganz allein auf sein Konto.
    „Wir werden also etwas wiederholen!“ Wiederholen, das heißt bei Bruno: nichts tun. Er setzt sich auf seinen Stuhl, schlägt das Buch auf und — wiederholt...
    ... bis daß es nach etwa zehn Minuten klopft, im selben Augenblick die Türe aufgeht und Tithemi erscheint. Civilis bekommt von seinem

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