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Flegeljahre am Rhein

Flegeljahre am Rhein

Titel: Flegeljahre am Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ruland
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ein homerisches Gelächter. Bruno hält große Reden und gibt kleine Hausarbeiten auf. Er hat die richtige Einstellung zu dieser Zeit, die man Sommer nennt.
    Fize dreht eines Morgens der Schelle den Hals um — stellt sie ab, weil Ferien sind. Am Abend vorher versammelt sich die Oberprima, um würdig in die Ferien zu gehen. Sie tut das mit viel Lärm, viel Bier, viel lustigen Liedern, die von Theobalds hinterem Zimmer im ersten Stock bis auf die Straße schallen.
    Die Ferien sind da. Still und verlassen liegt das Gymnasium zu Rheinstadt. Nur der stramme Schritt vom Fize hallt durch die geheiligten Hallen.
    In der Oberprima trocknet die Tinte in den kleinen Fässern aus, die an jeder Bank angebracht sind.
    Der Apollo thront einsam und verlassen über dem Katheder und blickt stumm auf die Klasse.

    ☆

    Ferien sind eine herrliche Sache. Nicht nur für Lehrer und Schüler. Auch für Mutter und Tochter im Hause Peterstraße 7a. Sie leben einmal ganz für sich, können sich ausschlafen, sind die Sorge los, daß Balduin auch zeitig geweckt wird und pünktlich seinen Kaffee und das Butterbrot für die große Pause bekommt. Sie können in aller Ruhe Pläne schmieden und die Köpfe zusammenstecken.
    Wirklich, Ferien sind eine herrliche Angelegenheit. Vor allem dann, wenn Balduin für zehn Tage verreist. Emma hat ihn einfach fortgeschickt. Sie hat ihren guten Grund dafür gehabt. Es gibt Dinge, von denen der Mann nichts versteht. Von denen er auch nichts wissen soll. Die er doch nur verderben würde. Emma beschäftigt sich mit solchen Dingen...
    Emma und Klothilde sitzen an dem kleinen runden Tisch im Wohnzimmer. Das Fenster steht offen. Draußen brütet die Sonne. Vogelgezwitscher jubiliert von den Bäumen.
    Klothilde trägt ein knallbuntes Kleid. Mit einer echten Blume auf der Brust. Seit sie eine Künstlerin ist, seit Gamaschke ihren Ruhm verkündet hat, schmückt sie sich immer mit Blumen. Ein Glück, daß das Haus Peterstraße 7a einen Vorgarten besitzt. Blumen aus dem eigenen Garten bringen besonderes Glück. Auch Emma „macht“ auf knallbunt. Aber ohne Blumen.
    Auf dem kleinen runden Tisch ist eine Zeitung ausgebreitet. Über der aufgeschlagenen Seite liest man „Ehewünsche aus ganz Deutschland.“ Nicht auszudenken: wenn das einer wüßte! Wer soll es schon erfahren? Balduin ist nicht da. Und Christinchen? Versteht nichts davon und schweigt. Emma und Klothilde sehen aufmerksam die Seite durch. Spalte um Spalte. Emmas Rotstift, aus Balduins Notiz- und Notenbuch, sorgt dann und wann für einen dicken Strich an diese oder jene Anzeige. Klothildes Augen, hinter dickem Glas versteckt, leuchten hoffnungsvoll.
    „Mama, glaubst du, daß...“
    „Aber sicher, mein Kind.“
    Man muß mit der Zeit gehen. In Emmas Jugend war das alles anders. Da war es noch leicht, einen richtigen Mann zu finden. Aber heute... Es gibt so seltsame Menschen. Da bringen sie zuerst rote Rosen mit, und dann verschwinden sie doch wieder über alle Berge. In Emmas Jugend hat man so etwas nicht gekannt...
    Was will man machen? Ein Versuch kann nicht schaden. Der junge Postinspektor von Peterstraße 14 hat seine Frau auch durch eine Anzeige bekommen. Emma weiß es ganz genau. Weshalb sollte also nicht auch Klothilde auf diese Weise ihr Glück finden? Eine Künstlerin ist sicherlich sehr begehrt. Bitte, hier steht es doch schwarz auf weiß, was mit Klothilde los ist. Emma ist voller Zuversicht. Wenn Mama an das Gelingen glaubt, dann muß es klappen. Klothilde weiß es.
    Emma setzt sich an Balduins Arbeitstisch und schreibt auf feine Briefbogen. An deren Kopf stehen zwei Buchstaben, K. L. — Klothilde Lehrmann. Schön ineinanderverschlungen.
    Klothilde hat die große Schere genommen. Sie schneidet aus den Exemplaren des „Rheinstädter Anzeigers“ den Bericht über ihr Spiel aus. Sie liest ihn noch einmal durch. Sie wird wieder ganz stolz. Zwölfmal schneidet sie den Bericht aus. Mama wird auch zwölf Briefe schreiben. Drei oder vier werden heute fertig. Die nächsten wird sie morgen, den Rest übermorgen schreiben.
    Klothilde ist sehr gespannt.
    Mama ist mit viel Eifer bei der Sache... Still, man darf sie jetzt nicht stören. Sie schreibt eben über die Häuslichkeit und praktische Veranlagung ihrer Tochter Klothilde. Über die künstlerische Seite braucht sie nichts zu schreiben. Ein Zeitungsausschnitt wirkt da viel besser und überzeugender. Das „Gebet Jner Jungfrau“ beschließt einen arbeitsreichen Nachmittag.

    ☆

    Gupp sitzt auf seiner

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