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Flegeljahre am Rhein

Flegeljahre am Rhein

Titel: Flegeljahre am Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ruland
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langsam. Ein großer Tag vergeht sehr schnell. Der Herr Bräutigam muß wieder auf sein Gut zurück. Der Herr Bräutigam besitzt ein eigenes Auto. Er hat zwei Flaschen Wein intus — er wird trotzdem selber fahren.
    Vater, Mutter und Tochter stehen an der Türe und winken. Mutter sehr bewegt, sehr verbindlich. Die Tochter gelassen und selig. Balduin steif und „akkommodiert“.
    Töff, töff, auf Wedersehen!
    Über das sehr viel Weitere läßt sich immer noch nichts Bestimmtes sagen.

    ☆

    Mit Gupp stimmt etwas nicht.
    Die Pauker schütteln den Kopf und wissen nicht, was mit dem einst so strebsamen sechsundzwanzigjährigen Oberprimaner Hekker geschehen ist. Sein Eifer ist hin. Gleichgültig folgt er dem Unterricht. Aufgaben macht er meist keine mehr. Er muß wissen, was er tut. Die Pauker schweigen. Ein junger Mann mit sechsundzwanzig Jahren hat das Recht, sein eigener Herr zu sein.
    Gupp soll zu Kilian kommen.
    „Was ist mit Ihnen los?“, will Kilian wissen.
    Gar nichts ist mit ihm los. Gupp freut sich nur seines Lebens und der Wurst, die er morgens auf seinen Butterbroten hat. Gupp ist glücklich darüber, daß er Schilder malen und Geld verdienen kann.
    Kilian wittert ein Geheimnis, will aber nicht weiter in Gupps Privatleben dringen. Tithemi beklagt sich, daß Gupp keine griechischen Stammformen mehr kennt. Schwamm erinnert an den letzten Aufsatz, in dem Gupp so seltsame Ansichten zu der Schuldfrage der Hebbelschen Maria Magdalena vertreten hat. „Der Schüler Hekker hat sehr nachgelassen“, diagnostiziert Hoi und erhebt die Frage, wie das enden möge, x 2 hofft noch auf Besserung, und Bruno enthält sich des Urteils, da Französisch sowieso keine große Rolle spielt. Gupp lacht und schweigt.
    Die Klasse weiß es auch nicht. Gupp ist ein lieber und guter Kamerad, auf den man sich verlassen kann. Was soll schon mit ihm los sein? Andere lassen auch schon mal in den Leistungen nach. Das gibt sich aber wieder. Grund zur Beunruhigung liegt nicht vor. Bis zum Abitur sind es fast noch fünf Monate. Bis dahin kann viel geschehen.

    ☆

    Hilde ist wieder einmal allein zu Hause. Die Eltern, Bruno und die Frau Studienrat, sind nach Koblenz gefahren und kommen erst mit dem letzten Zug zurück.
    Hilde ist in ein Magazin vertieft. Sie liegt auf der Couch, auf dem Bauch, hat ihren Kopf in die Hände gestützt, läßt ihre Beine hin und her pendeln und neckische Kreise beschreiben. Der Radioapparat gibt den Takt dazu. Hilde freut sich, daß sie schon um acht Uhr schöne Tanzmusik bekommen hat, ist aber traurig, daß sie nicht tanzen kann. Sie ist überhaupt nicht sonderlich gut gelaunt. Trotz der wippenden Beine. Trotz des süßen Likörs, der da auf dem Rauchtisch steht. Civilis wollte schon um sechs Uhr bei ihr sein. Er ist immer noch nicht gekommen. Hat er Angst? Daß er immer noch bange ist! Hilde wird ihm einmal tüchtig Bescheid sagen. Was soll das schon, daß ihr Vater Pauker ist?
    Hilde schleudert sich hoch, hockt auf den Knien, wirft den Kopf in den Nacken, daß die Locken nur so fliegen. Wenn Civilis das sähe, würde er bestimmt nicht mehr bange sein und kommen. Hilde setzt sich in den großen Klubsessel und ißt einige Kekse. Ihr Abendbrot. Sie hat heute keinen Hunger. Sie nimmt das Rundfunkprogramm und sucht Sender, die Tanzmusik bringen.
    Die Schelle schreckt sie auf.
    Dreimal schrillt ihr Ruf durch die Stille des Hauses. Dreimal — das verabredete Signal. Civilis kommt!
    Sie tänzelt an die Tür. Civilis macht ein ganz erbärmliches Gesicht. Hält seine linke Backe fest. Läßt sie erst los, als Hilde ihm einen Kuß darauf gibt.
    „Wo warst du denn so lange? — Nun komm doch schon herein! Es ist keiner hier, die alten Herrschaften kommen erst heute nacht zurück!“ Hilde packt ihn an der Hand und zieht ihn in das Herrenzimmer. Sie gibt ihm einen kräftigen Stoß, daß er in den Sessel fliegt.
    „Wo warst du nur so lange, du kleiner Feigling
    Feigling? Er war sogar sehr tapfer. Er hat bei Doktorchen unter der großen hellen Lampe gesessen und geduldig ertragen, wie dieser ihm zwei Zähne ausgebohrt und plombiert hat. Doktorchen nimmt nichts für die Behandlung. Er weiß um die Sorgen eines Oberprimaners. Eine Rechnung wird er dennoch schreiben. Damit Civilis sie dem Herrn Papa zeigen und das Geld für sich einstecken kann. Doktorchen ist wirklich ein pfundiger Kerl.
    So ist das also. Beim Zahnarzt gewesen. Du armer Kerl! Da muß er aber zunächst einmal einen Kognak auf die kranken Zähne

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