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Flegeljahre am Rhein

Flegeljahre am Rhein

Titel: Flegeljahre am Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ruland
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schütten.
    Civilis sieht sich immer noch scheu im Zimmer um.
    Wenn nun plötzlich Bruno...? Unsinn. Civilis hat Herzklopfen. Ganz unnötig. Zum Donnerwetter, Hilde wird ihm gleich etwas flüstern. „Ich muß gleich wieder gehen, Hildchen. Du weißt, mein Zug... Ich habe auch noch keine Aufgaben gemacht für morgen…“
    Zug? So. Noch keine Aufgaben? Aha.
    „Bedenke, bitte, Hildchen…“
    Bedenken? Auch das noch! Man sollte sich wirklich nicht mit einem Oberprimaner abgeben, wenn man selbst bald zwanzig Jahre alt wird.
    „Was ist nur los mit dir?“ fragt Hilde liebevoll. Nichts, gar nichts. Nur etwas ängstlich. Im Hause eines Lehrers mit der Tochter eines Lehrers... Und da soll man so ohne weiteres alle Hemmungen abstreifen?
    Hilde sorgt dafür, daß Civilis sich beruhigt. Er hat seine Zahnschmerzen vergessen.
    Er bei Hilde, im Zimmer eines Paukers... Verdammt, das ist die größte Heldentat, die je ein Mitglied der Schwarzen Hand vollbracht hat! Civilis wird plötzlich ganz stolz. Und überhaupt, die Sache mit Köln: das soll ihm erst mal einer nachmachen!
    Civilis ist jetzt gar nicht mehr bange.
    Er denkt auch nicht an den Zug, der ihn nach Hause bringen soll.
    Aufgaben? Ach so.
    Mund halten...
    Man soll eine schöne Stunde nicht durch profane Dinge stören. Der Teufel soll es holen, daß man noch Primaner ist.

    ☆

    Emma hat es sehr eilig. In einer halben Stunde geht der Zug ab, und sie ist noch nicht fertig angezogen. Zweiundzwanzig Druckknöpfe zu schließen, ist auch gar nicht so einfach.
    Sie muß in einer dringenden Angelegenheit nach Bonn. Emma weiß, was sie als treusorgende und verantwortungsbewußte Mutter zu tun hat. Einen Schwiegersohn muß man sich sehr genau ansehen. Der Mann für die Tochter ist eine Erscheinung, die man nicht ungesehen und nicht ohne genaue Kenntnis seiner Person hinnehmen kann. Gutes Einverständnis bei zwei Besuchen besagt nicht viel. Emma denkt weiter. Schließlich will sie auch wissen, wieviel Geld der Herr Bräutigam auf der Sparkasse hat. Wer weiß denn, ob das Gut nicht verschuldet ist? Man hört so viel von verschuldeten Existenzen. Besser, man sieht sich vor.
    Die zweiundzwanzig Druckknöpfe sind geschlossen.
    Wenn nun der Herr Bräutigam ein Schwindler ist? Heute wird sie ja alles erfahren.
    Sie erreicht den Bahnhof mit Müh und Not. Klothilde hat sie begleitet und schwitzt. Schnelles Gehen strengt sie sehr an.
    „Auf Wiedersehen, Mama! Ich bin ja so gespannt.“ Klothilde geht nach Hause, aber vorher noch zu Buchhändler Gabriel. Briefpapier, bitte. Gabriel hat eine große Auswahl. Weiß, rosa, hellblau — ganz nach Wunsch. Ihre Briefbogen mit den großen Buchstaben K. L. gefallen ihr nicht mehr. Es müssen neue sein. Ganz besondere. Die man auch etwas parfümieren kann. Es ist gut, wenn der Herr Bräutigam zu seinem Feld- und Stallgeruch etwas süße Würze bekommt. Gabriel soll zehn Bogen und zehn Briefumschläge, samtgefüttert, rosarot, einpacken.
    Klothilde sitzt zu Hause und schreibt. In dem Ofen des kleinen Zimmers knistert die Glut. Klothildens Herz birgt auch Glut. Die knistert aber nicht. Die diktiert ihr jetzt einen Brief. Klothilde kann jetzt einmal schreiben, wie sie es gerne tun möchte. Mama ist fort, und sie braucht den Brief nicht zur Zensur vorzulegen. Sie kann ihn abschicken, sie kann auch einmal die Freimarke etwas schief aufkleben. Ob Hubert die Briefmarkensprache versteht? Ganz gewiß...
    Klothilde schreibt und schreibt. Der Ofen knistert. Der Federhalter rauscht über das rosarote Papier. Und die Backen und die Ohren von Klothilde glühen und glühen und glühen.
    „Ein unsagbares Glück hat Besitz von mir genommen.“ Mama hätte diese Stelle bestimmt gestrichen, ich weiß, ich weiß.

Böses Licht auf Emma

    Emma hat es immer noch eilig.
    Wenn nun das Büro noch nicht geöffnet ist? Es wird geöffnet sein. Wie war doch nur der Weg? Richtig — ja, jetzt links, hinter der Buchhandlung rechts ab, das dritte oder vierte Haus. Emma hat ein gutes Gedächtnis. Den Weg, den sie einmal gegangen ist, kennt sie immer wieder.
    Emma ist da und schellt.
    Die Tür summt. Eine geheimnisvolle Kraft drückt sie auf. Wie modern das hier geht — elektrischer Türöffner. Emma läßt sie zuschlagen und steht vor großen Fragen.
    Neben der Tür, außen rechts, gut sichtbar, ein großes Schild:

    Um dieselbe Stunde, da Emma hinter der Tür verschwunden ist, rasselt auf einem Gutshof bei Köln das Telefon. Eine gebräunte Hand hebt den Hörer ab. Ein Anruf

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