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Flegeljahre am Rhein

Flegeljahre am Rhein

Titel: Flegeljahre am Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ruland
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und faßt sich an die Brust.
    »... es tut mir deshalb sehr leid...“
    O Welt, wie bist du grausam!
    „Es ist wohl das beste, wenn sich unsere Wege wieder trennen und wir so tun, als ob niemals…“ Niemals — es ist das beste. Klothilde ist tapfer. Klothilde setzt sich an das Klavier. Verstört kriechen die Töne dahin. Langsam wächst Emma wieder zur Größe empor und denkt daran, daß die Kartoffeln aufgesetzt werden müssen.

Schon wieder ein bedauerlicher Vorfall
    Die Herren Oberprimaner bedauern, wissen aber nichts

    „Das will ich Ihnen sagen, Herrschaften, am Ende der dritten Stunde geben Sie Ihre Hefte ab! Wer bis dahin mit seiner Übersetzung nicht fertig ist, dem ist nicht zu helfen... Heinrichs, setzen Sie sich gerade hin! Ihr Hintermann geht Sie nichts an, der kann Ihnen doch nicht helfen — der weiß ebensowenig wie Sie!“
    Hat Hoi einen Witz gemacht? Er lacht mit tiefem Baß, laut und grollend. Hoi ist so eine Art „Normalpauker“. Kein „Typ“ — für Primaner also langweilig. Hoi tut nur eins: er lacht bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit. Bei seinen Kollegen ist er dafür bekannt, daß er jede
    Woche denselben Witz erzählt. Daß er ganz allein dabei lacht, fällt ihm nicht auf.
    Was die Klassenarbeiten betrifft, liebt Hoi die Überraschungen. Wer hätte heute an eine Arbeit gedacht? Niemand. Doch, einer hat wohl mit der Möglichkeit gerechnet: Gupp. Er hat gut vorgesorgt. Winzig kleine Bücher stecken in seiner Tasche. In ihnen sind alle Klassiker Roms, die für eine Arbeit bei Hoi in Frage kommen können, genau übersetzt.
    Hoi war sdhon ein paar Minuten vor Beginn der Stunde in die Klasse gekommen, mit wichtigtuerischer Miene, mit einem Schwung Hefte unter dem Arm, mit einigen Büchern — und die Herren Primaner wußten schon, was die Uhr geschlagen hatte.
    „Ruhe! Setzen! Nehmen Sie ein Blatt Papier!“ Und er diktierte aus — ja, frag’ den Teufel, aus welchem Klassiker. Hoi hatte um das Buch einen grauen Umschlag gelegt, damit niemand dessen Titel und Verfasser lesen konnte. Zwei lange Seiten diktierte er...
    Hoi steht am Fenster und beobachtet scharf die Klasse. Wer bei Hoi pfuschen will, muß in dieser Kunst schon ein Meister sein. Wer von seinem Nebenmann etwas erfahren will, wer im Liliputlexikon — das sich so schön in einer Hand verbergen läßt — ein Wort nachschlagen oder sich sonstwie helfen will, der wagt ein gefährliches Spiel.
    Zwanzig Minuten sind schon verstrichen, seit Hoi mit dem Diktieren fertig und die Oberprimaner mit der Arbeit beschäftigt sind.
    Gamaschke sitzt mit rotem Kopf vor seinem Heft. Das Übersetzen lateinischer Klassiker fällt ihm immer sehr leicht, aber heute will es nicht recht klappen. Bobby taucht seit fünf Minuten seinen Federhalter immer wieder in das Tintenfaß, jedesmal mit dem neuen guten Willen, jetzt endlich etwas auf das Papier zu bringen.
    Krischans Haare hängen bald ganz im Gesicht. Krischan schielt nach links, schielt nach rechts — weshalb kann ihm denn keiner sagen, wie dieses dumme Wort heißt?
    Civilis kaut an seinem Federhalter, als ob er dichte. Rote Gesichter in der ganzen Klasse. Nervöses Rascheln. Banges Rumoren. Sauerbrunnen scharrt mit den Füßen. Hoi verbittet sich das. Ein anderer scharrt. Hoi meckert wieder. Ein dritter scharrt. Hoi sagt nichts mehr. Irgendeiner summt und brummt leise vor sich hin.
    Das ist bei Tithemi doch eine andere Sache! Der sagt wenigstens am Tage vorher, wenn eine Arbeit geschrieben wird, damit man sich „geistig und seelisch darauf vorbereiten kann“. Da kann man auch einige andere Vorbereitungen treffen...
    Dann ist dem Fritz in der letzten Bank, dem besten Griechen der Klasse, an jedes seiner Beine eine Kordel gebunden. Der erste Bindfaden führt zu Sauerbrunnen, dem Griechisch ein Buch mit sieben Siegeln ist, der andere zu Willi II, dem Griechisch ein Buch mit mindestens dreizehn Siegeln bedeutet.
    Wenn dann Sauerbrunnen in der höchsten Not ist, zupft er an der Kordel, einmal, zweimal, je nachdem, und Fritz ist benachrichtigt. Er schreibt auf ein Zettelchen das Wichtigste für die Übersetzung, bindet die Kordel von seinem Bein los, befestigt das Zettelchen daran, hustet dreimal, und Sauerbrunnen zieht schnell und vorsichtig die Kordel unter den Bänken an seinen Platz, bis Fritzens Zettelchen angeflattert kommt. Dafür bekommt Fritz auf ähnliche Art die Aufgaben während der nächsten Mathematikarbeit, und Willi II, von dem aus die Kordel zu Fritzens linkem Fuß

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