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Flegeljahre am Rhein

Flegeljahre am Rhein

Titel: Flegeljahre am Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ruland
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hängt seinen Hut, hängt Hildes Mantel hin.
    Weshalb ist denn der Herr so aufgeregt und bleich? Soll der Herr Ober...? Der Ober soll Frühstück bringen. Aber etwas schnell, wenn ich bitten darf.
    Civilis trommelt mit den Fingern auf den Tisch, zündet sich eine Zigarette an, macht sie wieder aus, drückt ihre Glut in den Aschenbecher. Verdammt, Hilde, weißt du denn nicht, was das heißt? Alles ist aus, verstehst du? Wenn x 2 dem Tithemi erzählt, daß ich mit dir... daß du mit mir... hier in Köln... im Hotel... Abitur, ade! Ich kann von der Penne fliegen, siehst du das ein? Civilis sagt nichts. Er denkt nur. x 2 erhebt sich, kommt auf ihn zu, will ihn... Unsinn, Mensch, du träumst ja! x 2 sitzt an seinem Tisch und beachtet dich gar nicht.
    Da ist der Ober.
    Civilis stürzt sich auf eine Tasse Kaffee, trinkt hastig, verbrennt sich dabei die Zunge. Ein Brötchen, bitte? Wie soll man da essen können!
    Aber Hilde ißt. Ihr schmeckt es. Sie ist ganz ruhig. x 2 hat nicht allein etwas gesehen. Hilde hat ebenfalls etwas entdeckt. Civilis auch. Aber der hat noch nicht denken können... Hilde faßt seine Hand. Er zieht sie zurück. Wenn x 2 das sieht! Hilde nimmt sie wieder.
    „Nun sei einmal ganz vernünftig. Hör’ mal...“ Civilis hört.
    Er sieht sich die Begleitung von x 2 an. Was ist das für eine junge Dame? Gebleichte Haare, sehr geschminkt, übertrieben „aufgemacht“, na, und überhaupt... Aus Rheinstadt kommt sie bestimmt nicht, x 2 soll nur den Mund halten! Sonst wird er sich schön wundern, der Herr Assessor. Civilis wird doch etwas essen. Ein kleines Butterbrot. Hilde schmiert es ihm. Siehst du, jetzt bekommst du wieder Farbe im Gesicht! Wozu denn schon alles aufgeben?
    x 2 steht auf. Er vermeidet den Blick in die Ecke, in der Hilde und Civilis sitzen. Er hat es plötzlich sehr eilig, mit seiner Beauty zu verschwinden. Hilde schielt einmal hinüber zu x 2 und seiner superblonden Begleiterin, x 2 hat schon seinen Hut in der Hand.
    „Nun — was habe ich dir gesagt?“ flötet Hilde. Civilis ist anderer Ansicht:
    „Der fährt gleich nach Rheinstadt, um Tithemi zu erzählen, daß er uns hier gesehen hat. Natürlich, er will den Zug um 10.45 Uhr noch bekommen, sonst würde er sich doch nicht so beeilen! Jetzt ist alles aus...“
    Civilis fühlt ein paar Schweißtröpfchen der Angst an seinem Körper.
    Da ist x 2 draußen.
    „Hilde, wären wir doch bloß...“
    „... in ein anderes Hotel gegangen? Wer weiß, wen wir da getroffen hätten! Den Rheinstädtern ist nicht zu trauen...“
    Hilde hat eigentlich recht.
    „Wenn x 2 nun doch alles Tithemi berichtet — was dann, Hildchen...?“
    Das wird man abwarten müssen.
    „Warum siehst du nur so schwarz, Liebling?“
    „Vielleicht legt sich das, wenn wir in ein kleines Kino gehen.“
    Das Geld reicht leider nicht mehr für eine stille Ecke. Hilde und Civilis müssen sich auf einen ganz billigen Platz setzen. Als er Hildes Hand liebevoll hält und streichelt, macht ihm das nichts mehr.
    „Du, Hildchen...“
    Pst!
    Die Nachbarschaft braucht nicht zu wissen, daß sich die beiden lieben.

    ☆

    Civilis hat sehr unruhig geschlafen. Ein paarmal ist er wach geworden. Er hat sich hin und her gewälzt. Er hat das Licht angeknipst. Er hat in einem Buch geschmökert. Er hat das Licht wieder ausgelöscht. Er hat an die vergangene Nacht gedacht. Er hat wieder etwas geschlafen. Er hat von x 2 und Tithemi geträumt. Er hat Hilde vor sich gesehen. Er hat... Er hat... Da hat ihn der Wecker erlöst. Der verkündete, es sei sechs Uhr. Civilis springt auf. Zieht sich an. Trinkt keinen
    Kaffee. Rennt zum Bahnhof. Ist bald da und muß zurück, weil er seine Schulmappe vergessen hat. Erreicht gerade noch den Zug.
    Er fährt heute zum ersten Male mit dem Frühzug nach Rheinstadt, drei Bahnhöfe von seinem Wohnort entfernt. Er muß heute sehr früh in Rheinstadt sein. Er weiß ja nicht, wann der Herr Assessor aufzustehen und aus seiner Wohnung zu gehen pflegt.
    Civilis benutzt jeden Morgen die kurze Fahrt bis Rheinstadt dazu, sich etwas in den Büchern umzusehen. Homerverse zu übersetzen, dem Herrn Tacitus guten Morgen zu sagen, sich von ein paar mathematischen Formeln ärgern zu lassen. Heute morgen kann er es nicht. Gedanken jagen ihm durch den Kopf. Warum fährt der Zug nur so langsam heute morgen? Noch immer nicht der erste Bahnhof! Nun legen Sie ein paar Kohlen mehr auf, Herr Lokomotivheizer!
    Der Zug fährt genau so schnell und genau so langsam wie an jedem anderen

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