Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flegeljahre am Rhein

Flegeljahre am Rhein

Titel: Flegeljahre am Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ruland
Vom Netzwerk:
Morgen. Civilis spinnt nur... Er sieht aus dem Fenster. Er raucht eine Zigarette. Er spielt mit dem Fensterriemen, rollt und dreht ihn zu einer Spirale, läßt ihn los und sieht den Riemen schnell sich winden. Er bemerkt, daß er in einem Nichtraucherabteil sitzt. Er wendet das Verbotsschild einfach um, fertig. Einmal kommt er doch nach Rheinstadt...
    Die zwanzig Minuten dünkten ihn eine Ewigkeit, Er springt aus dem Abteil, rennt durch die Sperre — wozu eigentlich? Er hat doch so viel Zeit. Er macht sich auf den Weg zu der Wohnung von x 2 , Friedrichstraße, x 2 hat zwei möblierte Zimmer bei Witwe Hildenbrant.
    Civilis ist schon da. Eben hat die Kirchenuhr sieben geschlagen. Ob x 2 überhaupt schon aufgestanden ist? Verrücktheit, so früh hier zu sein! Civilis sieht es ein, tröstet sich aber: „Besser ist besser“.
    Er geht vor der Wohnung auf und ab. Zählt die Steine des Bürgersteiges. Zählt die Fenster. Zählt die Häuser. Er hat immer die Türe des Hauses, in dem x 2 wohnt, im Auge. Jetzt wird sie geöffnet. Civilis schreckt zusammen. Ein Mädchen kommt aus dem Hause, die Gehilfin der Witwe Hildenbrant. Soll Civilis sie fragen, ob der Herr Assessor schon...? Natürlich ist er schon aufgestanden. Er muß doch in der ersten Stunde Unterricht erteilen. Civilis wartet weiter. Zählt Steine, geht auf und ab, läßt seinen Blick nicht von der Türe. Nur ja den x 2 nicht versäumen!
    7 Uhr 30. 7 Uhr 32.
    Sollte x 2 schon fort sein?
    Civilis fühlt einen Schreckensschauer durch seinen Körper fahren. Er ruft alle Götter des Altertums
    an.
    Er hätte es nicht zu tun brauchen. Da tritt x 2 aus der Türe. Zigarette im Mund, ein Buch in der Hand. Er blickt auf die Uhr, beschleunigt seinen Schritt. Er sieht Civilis, bleibt stehen. Ahnt er...? Civilis geht auf ihn zu, macht eine Verbeugung, will etwas sagen, stottert, findet schließlich das Wort.
    „Verzeihung, Herr Assessor...“
    Der Herr Assessor nimmt die Zigarette aus dem Mund. Lächelt er? Will er Civilis auf die Schulter klopfen? Weiß er schon, was Civilis ihm sagen will? x 2 macht ein seltsames Gesicht, als er den Rauch ausstößt.
    „Ich wollte Sie bitten, Herr Assessor... Sehn Sie, das war gestern...“
    Civilis kommt nicht weiter, braucht auch nicht weiterzukommen, weil x 2 jetzt wirklich lacht, weil er Civilis nun tatsächlich kameradschaftlich auf die Schulter klopft.
    „Was wollen Sie eigentlich? Haben wir uns gestern überhaupt gesehen — gestern morgen in Köln? Ich habe Sie nicht gesehen. Sie mich doch auch nicht — oder? Ich will Ihnen etwas sagen: Was Sie außerhalb der Schule tun, kümmert mich sehr wenig. Was ich anfange — das wird Sie natürlich auch nicht interessieren...“
    Civilis möchte einen Freudensprung tun.
    „Wir verstehen uns doch, nicht wahr?“
    „Danke sehr, Herr Assessor, vollständig! Selbstverständlich Ehrensache! Ich freue mich sehr „Schon gut, schon gut! Kommen Sie, es wird Zeit, sonst sind wir zu spät in der Schule.“ x 2 hat es sehr eilig. Civilis geht geflissentlich neben ihm her — neben dem „Kamerad Assessor“. Civilis hat verstanden und ist sehr froh.
    „Herr Assessor, steht schon fest, was wir in den nächsten Stunden durchnehmen?“
    Civilis entdeckt plötzlich ein Herz für mathematische Fragen. Jawohl, es steht schon fest, aber das wird sich im einzelnen noch finden. Civilis soll nur gut aufpassen.
    Er wird es...
    Das Gymnasium, x 2 eilt durch das Vorgärtchen, in dem immer noch Blumen leuchten. Civilis geht auf den Schulhof, zwängt sich in die Reihe der Schüler, die in das Gebäude stürmen. Soeben hat es geschellt.
    Civilis wirft seine Mappe auf seinen Platz, brüllt einen Freudenschrei, macht ein vergnügtes Gesicht und entdeckt, daß er Hunger hat. Sauerbrunnen muß ihm ein Brötchen geben.
    Erste Stunde: Musik. Die Klasse begibt sich in die Aula. Civilis verkriecht sich in eine Ecke und schreibt hinter dem Rücken von Krischan einen Brief an Hilde.

Post für Peterstraße 7a

    Geldbriefträger sind immer gern gesehen. Beim „gewöhnlichen“ Briefträger ist es nicht immer so. Der kann auch Sachen bringen, über die man sich ärgert. Sie brauchen nicht gerade vom Finanzamt zu kommen. Es können auch andere Briefe sein. Jeder hat schon seine Sorgen erlebt.
    Der Briefträger, der in Rheinstadt die Peterstraße zu betreuen hat, wird seit einiger Zeit mit ganz besonderer Spannung im Hause 7a erwartet. Mit Freude, das läßt sich nicht immer sagen. Aber mit wirklicher Spannung. Er hat schon

Weitere Kostenlose Bücher