Flehende Leidenschaft
sie ihre Gefühle nicht länger beherrschen.
Johnnie lenkte seinen Hengst näher zu Elizabeths Stute und wischte mit dem warmen Leder seines Handschuhs die Tränen von ihren Wangen. »Wahrscheinlich kreuzen da draußen Patrouillenschiffe. Weine nicht, Liebling. Wir müssen eben warten. Sicher wird Robbie bald kommen.«
»Und wenn sie ihn festgenommen haben?«
»Ich glaube, sie wollen ihn erst verhaften, nachdem ich für schuldig befunden wurde. Und Munro wird ihn rechtzeitig warnen. Südlich von Saint Abbs gibt’s einen Gasthof, der ziemlich abgeschieden liegt. Bis dahin sind’s nur ein paar Meilen. Wirst du’s schaffen, so weit zu reiten?«
»Bekommen wir dort was Gutes zu essen?«
Er lächelte. »Jedenfalls was Besseres als die Resultate deiner oder meiner Kochkunst.«
»Das ist allerdings ein Anreiz«, meinte sie und richtete sich entschlossen im Sattel auf. »Führ mich hin!«
Eine Stunde später lag sie in einem weichen Federbett, verspeiste ihr drittes Ei und hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie sich trotz der Gefahr, in der sie schwebten, so wohl fühlte. Johnnie saß am Fenster, immer noch angekleidet, hielt einen Krug Ale in der Hand und blickte über die Hecken hinweg zum Meer. Auf dem Tisch neben seinem Ellbogen lagen die Reste seines Frühstücks.
In der letzten Stunde waren zwei britische Kreuzer vorbeigesegelt, ein Hinweis auf die drohende Blockade.
Bei Johnnies und Elizabeths Ankunft hatte Traquir, der rundliche Wirt, aufgeregt von dem neuen Gesetz berichtet und die Kaperung der Annandale geschildert. »Zu Dutzenden treiben sich die verdammten Rotröcke da draußen herum. Letzte Woche kamen sie aus Harbottle hierher. Natürlich denken sie nicht dran, für Speisen und Getränke zu bezahlen. Als hätten sie uns nicht schon hinreichend ausgebeutet!«
»Stellt irgend jemand Fragen«, erkundigte sich Johnnie, während sie in der kleinen Eingangshalle warteten und die Dienstmädchen das Zimmer herrichteten.
»Offensichtlich werden ein Laird und seine Lady gesucht, ein dunkelhaariger Gentleman wie Sie, Sir. Und die Lady ist blond.« Die blauen Augen des Wirts funkelten, als er Elizabeth betrachtete, die auf einer Holzbank an der Wand saß. »Aber selbst wenn wir die beiden sehen – kein Schotte würde sie den elenden Rotröcken ausliefern.«
Johnnie lächelte und atmete erleichtert auf. »Vielleicht könnten Sie unsere Pferde nicht in Ihrem Stall, sondern woanders unterbringen.«
»Klar, der alte George Foulis hat genug Platz. Seine Farm liegt auf der anderen Straßenseite, ziemlich weit von hier entfernt.«
»Wunderbar!« hatte Johnnie erwidert und einen prall gefüllten Geldbeutel auf den Tisch geworfen.
Jetzt, wo Elizabeth sich in ihrem bequemen Bett räkelte und die Pferde gut versteckt waren, überlegte er, wie er mit Robbie Verbindung aufnehmen konnte. Oder sollte er ein Schiff mieten? Vorerst waren sie im Abbs Inn sicher. Aber je länger sie hierbleiben, desto größer wurde die Gefahr. Mochte Traquir ein loyaler Schotte sein – einer seiner Angestellten würde sich vielleicht von englischen Guineen verleiten lassen. Im schottischen Parlament hatten schon viele Männer ihre Stimmen für geringe Summen verkauft, und so machte er sich keine Illusionen über bettelarme Schankkellner oder Stallburschen.
Diese Gedanken verschwieg er seiner Frau, denn nach der anstrengenden Flucht brauchte sie ein bißchen Ruhe. Vorerst konnte er nichts unternehmen, erst wenn die Nacht hereinbrach. Er lehnte sich im Sessel zurück, stützte den Krug auf seine Brust und schloß die Augen.
»Kommst du nicht ins Bett?« fragte Elizabeth. Besorgt musterte sie sein müdes Gesicht.
»Gleich«, antwortete er lächelnd. »Kannst du schlafen?«
»Eine Woche lang.«
Nach einer Weile leerte er den Krug und stellte ihn beiseite, stand auf und dehnte seine Glieder. Er vergewisserte sich, daß die Tür und die Fenster geschlossen waren, dann legte er seine Pistolen auf einen Stuhl neben dem Bett. Seinen Dolch hängte er an einen Bettpfosten am Kopfende.
»Was du da tust, inspiriert mich nicht gerade zu einem geruhsamen Schlaf«, seufzte Elizabeth, als er sich zu ihr setzte und seine Stiefel auszog.
»Oh, ich finde geladene Pistolen sehr beruhigend«, entgegnete er und streckte sich neben ihr aus.
»Behältst du deine Jacke an?«
»Vorläufig schon. In Holland kannst du mich noch mal danach fragen.«
»Wo mag Robbie stecken?«
»Allem Anschein nach außerhalb britischer Reichweite. Einen so straffen Kordon
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