Flehende Leidenschaft
seinen Waffengurt von einem Wandhaken neben der Tür. »Und stell eine Flasche Rotwein auf den Tisch. Mir ist noch kein Soldat begegnet, der einen Schluck Wein abgelehnt hätte.« Er schnallte den Gurt um seine Taille. »Eine Stunde oder auch nur eine halbe – dieser Vorsprung würde uns schon helfen.«
»Jetzt könnt ihr nicht nach Osten reiten.«
»In ein paar Tagen versuchen wir’s. Erst mal verstecken wir uns in der Schäferhütte hinter Letholm. Die liegt ziemlich abgeschieden.«
Beide Männer wußten, daß Letholm noch weiter von der Küste entfernt lag. Doch das erwähnten sie nicht.
»Ich packe Proviant in die Satteltaschen«, sagte Elizabeth.
»Nur in eine«, erwiderte Johnnie. »Die Packpferde müssen wir leider hierlassen. In den Bergen gibt es nicht genug Weideland.«
»Morgen könnte ich euch noch was zu essen bringen«, schlug Polwarth vor, während er Johnnie half, die Pferde zu satteln.
»Nein. Womöglich würde dir jemand folgen. Wir haben genug Vorräte für ein paar Tage, und dann reiten wir zur Küste.«
Am späten Nachmittag erreichten sie die Schäferhütte in den Ausläufern der Cheviots. In dieser Höhe bedeckte eine dicke Schneeschicht den Boden, und die Pferde waren nur langsam vorangekommen. Fröstelnd betraten die Flüchtlinge das primitive steinerne Gebäude, und Johnnie machte ein Feuer. Draußen wehte ein eisiger Wind, der weiße Wolken aufwirbelte.
Nachdem Johnnie die Pferde hereingeholt hatte, um sie vor der Kälte zu schützen, packte er die spärlichen Vorräte aus.
»Allzulange werden wir nicht hierbleiben. Nur ein oder zwei Tage. Setz dich doch, Elizabeth!« Er zog einen kleinen, dreibeinigen Hocker unter dem Tisch hervor und stellte ihn vors Feuer.
»Wie weit ist es bis Margarth Cove?«
»Von hier aus? Wahrscheinlich zwanzig Meilen.«
»Wäre es nicht besser, nachts zu reiten?«
Er nickte. »Sicher, dann würden wir ein geringeres Risiko eingehen und weniger Leuten begegnen. Andererseits dürften die Dragoner mißtrauisch werden, wenn sie nach Einbruch der Dunkelheit auf Reiter treffen.«
»In fünf Stunden könnten wir die zwanzig Meilen schaffen, sogar im Schneckentempo.«
Es waren fast fünfundzwanzig Meilen, und die Strecke führte durch unwegsames Gebirge.
»Ja, das ist möglich«, log er. »Jetzt suche ich erst einmal Brennholz. Falls du hungrig bist, auf dem Tisch findest du ein Stück Fleischpastete.«
»Oh, ich fühle mich so nutzlos!« klagte sie. »Außerhalb eines Haushalts mit großer Dienerschaft bringe ich überhaupt nichts zustande.«
»Glaubst du, ich würde von meiner schwangeren Frau erwarten, daß sie Holz hackt?« Lächelnd zerzauste er ihr Haar. »Aber du kannst drum beten, daß der letzte Bewohner dieser Hütte ein bißchen Brennholz zurückgelassen hat. Sonst muß ich einen Baum fällen.«
Obwohl sie müde und hungrig war, versuchte sie sein Lächeln zu erwidern. »O ja, ich bete sehr gern für dich. Da draußen ist es eiskalt. Warum verbrennst du nicht den Tisch?«
»Was für eine erfinderische Frau du bist! Leider würde er uns nicht die ganze Nacht wärmen.« Er verließ die Hütte und kam wenig später zurück, mehrere Eichenzweige unter dem Arm. »Offenbar wurde dein Gebet erhört«, erklärte er und schüttelte Schnee aus seinen Haaren. »Da draußen stapelt sich genug Brennholz.«
»Welch Glück!« Von seiner guten Laune angesteckt, schnitt sie den Schinken in Scheiben, den Polwarth eingepackt hatte.
Nach der Mahlzeit saßen sie vor dem Feuer, und Johnnie nahm sie in die Arme. »Bald sind wir an Bord des Schiffs.«
»Ja«, bestätigte sie trotz ihrer Zweifel. Wie sollten sie zwanzig Meilen zurücklegen, ohne von einer Patrouille entdeckt zu werden?
»Morgen reiten wir nach Osten. Ein Großteil des Weges führt durch Ländereien, die meinen Freunden gehören. Inzwischen müßte Robbie schon in der Bucht auf uns warten.
Du warst noch nie in Holland, nicht wahr? Dort ist es wärmer als hier. Es wird dir gefallen.«
»Ohne mich wärst du längst dort. Was für eine Belastung ich für dich bin …«
»Sag so was nicht, Elizabeth. Du darfst es nicht einmal denken.« Zärtlich drückte er sie an sich. »Morgen erreichen wir die Küste.«
Tränen brannten in ihren Augen. »Und unser Kind wird in Holland zur Welt kommen.«
»Ja, mein Liebling. Darauf gebe ich dir mein Wort als Ravensby.«
Sie schliefen auf einem Lager aus Farnblättern, mit Johnnies Plaid zugedeckt. Die Wärme des Feuers, in den Steinmauern gestaut, die
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