Flehende Leidenschaft
er den Kopf. »Im Augenblick ist er noch viel zu schwach, um auch nur eine Hand zu heben. Mal sehen, ob ich einen Arzt zu ihm bringen kann. Dann erfahren Sie wenigstens, in welch einem Zustand er sich derzeit befindet.«
»Je länger das Schiff hier ankert, desto eher könnten wir entdeckt werden – sogar mit norwegischer Flagge«, erklärte Robbie. »Die Zollbeamten werden uns nicht bis in alle Ewigkeit verschonen.«
»Wenn er nicht gehen kann, müssen wir ihn eben tragen«, schlug Munro vor.
Douglas Coutts verdrehte ungeduldig die Augen. »Hören Sie, es ist schon schwer genug, ein paar Männer ins Castle zu lotsen, ohne die ganze Wachmannschaft zu alarmieren. Und einen so großen Mann wie Ravensby die schmalen Treppenfluchten raufzuschleppen …«
»Aber Johnnie darf nicht da drinnen bleiben, sonst wird er ganz bestimmt sterben.« Robbies Stimme klang heiser und müde.
Seit er aus East Lothian geflohen war, um vor der Küste mit den britischen Kreuzern Verstecken zu spielen, hatte er kaum geschlafen. Als Charlie Fox ihn über Johnnies und Elizabeths Festnahme informiert hatte, war er sofort nach Leith gesegelt.
»Wenn Roxane von ihrem Besuch bei Christiane Dunbar zurückkommt, rede ich mit ihr. Aber wenn sie Elizabeth gesehen hat, müssen wir die beiden morgen nacht rausholen. Irgendein Instinkt drängt mich dazu.« Fragend schaute er seinen Vetter an.
»Queensberry und Godfreys Leute werden wohl kaum erwarten, daß ein sterbenskranker Gefangener aus dem Verlies entführt wird«, meinte Munro. »Einverstanden. Morgen nacht. Falls Roxane beruhigende Informationen hat. Aber wir müssen uns beeilen. Sobald Elizabeth befreit ist, wird Christiane Dubar Alarm schlagen. Danach sollten wir sofort ins Castle eindringen.«
»Also gut, Gentlemen«, stimmte der Anwalt zu. »Die ersten Türen kann ich mit ein paar Goldstücken öffnen. Aber die anderen Schlüssel müssen Sie sich erkämpfen.«
»Elizabeth wird nicht einmal von Soldaten bewacht«, erklärte Roxane, die am frühen Abend mit Munro und Robbie in ihrem Salon saß. »Offensichtlich nimmt man an, sie wäre gut genug versteckt. Meine Freunde, die Droschkenkutscher, haben ja auch einen Tag lang gebraucht, um ihr Gefängnis aufzuspüren.«
»Wenn sie nicht bewacht wird, wird’s uns sicher nicht schwerfallen, sie zu befreien«, bemerkte Munro.
»Der Schlüssel hängt an Christianes Kette, oder ihr müßt die Tür aufbrechen.«
»Natürlich wollen wir sie so unauffällig wie möglich aus Queensberrys Haus holen, weil wir fast gleichzeitig in die Festung eindringen.«
Robbie räkelte sich auf einem Sofa, die Stiefel über der Armstütze. »Am besten benutzen wir Christianes Schlüssel, und bevor wir verschwinden, sperren wir sie mitsamt ihrem Personal ein.«
»Falls Johnnie nicht reisefähig ist – oder wenn ihr euch nicht sofort nach Leith wagt, seid ihr mir jederzeit willkommen«, versicherte Roxane.
»Wie optimistisch unsere Gastgeberin ist!«
Munro schenkte Robbie ein schwaches Lächeln.
»Vor einem Jahr ist Cathcart spurlos entwischt«, erinnerte Roxane die beiden Vettern. »Sogar im Edinburgh Castle ist die Freiheit käuflich.«
»Douglas hat uns versprochen, die Türen, die sich oberhalb der Verliese befinden, mit Gold zu öffnen«, berichtete Robbie. »Aber vor den anderen stehen Queensberrys Soldaten.«
»Jedenfalls zu viele.«
»Soll ich mit Gordon reden, dem Kommandanten des Castles? Vielleicht hat auch er seinen Preis.«
»Wäre seine Position nicht von Queensberrys Gunst abhängig, würde ich sagen, das ist eine gute Idee. Aber unglücklicherweise …« Munros Stimme erstarb.
»Nur keine Bange, Roxane – wir befreien Johnnie«, versprach Robbie. »So oder so.«
»In meinem Dachgeschoß seid ihr nach wie vor sicher«, betonte sie. »Und ich habe einflußreiche Freunde. Niemand würde es wagen, mein Haus zu durchsuchen.«
»Hoffentlich erreichen wir das Schiff«, seufzte Munro.
»Nun, das hängt vom Zustand meines armen Bruders ab«, gab Robbie zu bedenken. »Coutts sagte doch, Johnnie sei übel zugerichtet worden.«
»Wohin wird Elizabeth gebracht?« fragte Roxane.
»Direkt an Bord der Trondheim.«
»Morgen abend besuche ich eine Dinnerparty im Haus des Kanzlers. Dort werde ich angstvoll auf Neuigkeiten warten. Wahrscheinlich wird der Kronrat schon vor dem nächsten Morgen von Johnnies Flucht erfahren. Heute abend erwartet mich die Gräfin Pamure. Vielleicht höre ich da irgendwelche Klatschgeschichten über Queensberry. Vor
Weitere Kostenlose Bücher