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Fleisch essen, Tiere lieben

Titel: Fleisch essen, Tiere lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theresa Baeuerlein
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Pandababy auf dem WWF-Plakat, der Tiger im Zoo bringt unsere Herzen und Geldbeutel in Bewegung. Foer beschreibt in »Tiere Essen« die Hysterie um Eisbär Knut, die er in Berlin live erlebt hat. Ein paar Meter neben Knuts Gehege verkaufte ein Wurststand seine Ware: Fleisch von Tieren, deren Tod niemand weiter aufregte. Es stimmt schon: Was unsere Nahrung betrifft, leben wir eine ständige Doppelmoral. Ohne nachvollziehbaren Grund schreiben wir Haus-, Wild- und Nutz tieren unterschiedliche Werte zu. Der Löwe in der Savanne ist eben edel, die Kuh ist es nicht. Dieses Urteil hängt sicher stark mit der Tatsache zusammen, dass McDonald’s seine Burger aus Rind und nicht aus Löwenfleisch formt. Die Kuh schmeckt einfach gut.
    Alle Tiere aber behandeln wir – wieder wie selbstverständlich – wie unser Eigentum. Diese Auffassung findet sich auch im deutschen Gesetz wieder: Wer ein Tier misshandelt, betreibt unter bestimmten Bedingungen nichts anders als Sachbeschädigung. Eine solche Denkart macht Massentierhaltung möglich. Kein Zweifel: Wir sollten Tiere, und zwar alle, nicht nur die niedlichen, flauschigen, menschlicher behandeln – im wahrsten Sinne des Wortes. Dabei sollten wir aber nicht in die entgegengesetzte Falle treten und die Natur und ihre Lebewesen grundsätzlich als etwas begreifen, das vor den Menschen beschützt werden muss. Diese Denkart ist sehr verbreitet, und sie hat in vielen Fällen ihre Berechtigung, etwa wenn es um Umweltschutz geht. Aber man muss auch anerkennen: Die Natur ist nicht so lieb und harmlos, wie wir gerne denken. »Natur ist eigentlich immer etwas Gutes, etwas Armes, dem muss man helfen, da muss man die beschützenden Hände drüber halten. Vögel muss man im Winter füttern, dieses rosarote Verhältnis, was da zur Natur entsteht, ein verklärtes Bild von Natur, das setzt sich dann immer weiter fort. Wir haben es auch bei Erwachsenen gefunden, von denen die meisten wie Kinder und Jugendliche sagen, also in der Natur herrscht Harmonie und Frieden und nur der Mensch stört eigentlich«, ¹²¹ so beschreibt Rainer Brämer, Natursoziologe in Marburg, jene kitschige Naturvorstellung. Jeder, der schon einmal eine Katze mit einer Maus spielen gesehen hat, weiß, dass die Realität anders aussieht. In der freien Natur reißen Wölfe Hirsche bei lebendigem Leib auf und fressen die warmen Eingeweide. Und das hat seinen Sinn: Ohne Raubtiere würden die Hirsche sich gnadenlos vermehren – bis zu einem Punkt, an dem sie kläglich verhungern müssten, weil nicht genug Nahrung für alle da wäre. Mancher Tierfreund glaubt, dass die Aufgabe des Menschen nicht nur darin liegt, seine eigene Allesfresserei zu transzendieren, sondern auch die Tierwelt entsprechend zu regulieren. Lierre Keith schreibt von einem Veganer, der vorschlägt, einen Zaun durch die Serengeti zu bauen, um die fleischfressenden Tiere von den Pflanzenfressern zu trennen. Die Idee zeugt von einem totalen Unverständnis oder einer gewollten Blindheit gegenüber den Regeln der Natur. Es sind, aus menschlicher Sicht, keine schönen Regeln. Aber das macht sie nicht weniger gültig. Würde man die Idee jenes Veganers durchführen, wäre die Serengeti kahl und mit Leichen bedeckt. Die Fleischfresser würden erst einander auffressen und dann kläglich verhungern. Die Pflanzenfresser würden sich unkontrolliert vermehren, bis nicht mehr genug Pflanzen da wären, und letztlich, nachdem sie alles abgegrast hätten, ebenfalls sterben.
    Nein: Das heißt nicht, dass wir selbst uns wie Tiere benehmen sollten. Ich habe auch manchmal das Bedürfnis, mit schweren Gegenständen zu werfen – beispielsweise nach dem Typen, der morgens vor meinem Fenster minutenlang hupt –, aber ich tue es nicht. Aber nur, weil wir uns nicht wie Tiger benehmen wollen, sollten wir die Natur und unsere Rolle darin nicht verklären. Die Tierhaltung wird von manchen Fleischgegnern mit Sklaverei verglichen. Ähnlich wie die Sklaverei, wäre die Tierhaltung demnach nicht mehr als eine Konvention, die aus rätselhaften Gründen in der Gegenwart noch akzeptiert, in Zukunft aber als genau das betrachtet werden wird, was sie eigentlich ist: eine barbarische Unsitte. Dabei wird ein entscheidender Punkt vergessen: Menschliche Sklaven haben sich ihre Herren niemals ausgesucht. Tiere aber haben im Prozess der Domestizierung wahrscheinlich genau das getan. Die Beziehung zwischen Mensch und Tier ist eigentlich nicht einseitig, besteht also nicht zwischen ausschließlich

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