Fleisch essen, Tiere lieben
wurden: Das süße Milchprodukt sei, so die Werbung, »so wichtig wie ein kleines Steak «. Die Botschaft: In Fleisch steckt etwas, das Kinder brauchen. Abgesehen davon, dass das nicht wirklich stimmt – die deutsche Gesellschaft für Ernährung hält eine vegetarische Ernährung, die Milch und Eier einbezieht, für gesund –, essen die meisten Deutschen ziemlich große Steaks. Laut Nationaler Verzehrstudie II isst jeder deutsche Mann am Tag durchschnittlich 103 Gramm Fleisch, Wurst oder Fleischerzeugnisse, also über 700 Gramm pro Woche. Frauen essen weniger, aber immer noch zu viel: Sie verzehren täglich 53 Gramm. ¹¹¹ Weniger Fleisch, aber dafür besseres – diese Botschaft ergibt am meisten Sinn.
Fleisch, Milch und Eier von Tieren, die das für sie richtige Futter gefressen haben, hat auch für den Menschen Vorteile. Die gute alte Regel »Du bist, was du isst« gilt tatsächlich. Ein Rind, das mit Medikamenten behandelt wird, in einem Massenstall klemmt und Futter bekommt, das ihm nicht guttut, setzt anderes Fleisch an und gibt andere Milch als ein Tier, das auf einer Weide Gras gefressen hat. Man kann das romantisch nennen, man kann es aber auch beweisen. Die irische Butter »Kerrygold« ist in Deutschland Marktführer unter den Buttermarken. ¹¹² Und das hat seinen Grund. Irische Butter ist genau deshalb so lecker und auch bei den Deutschen so beliebt, weil die irischen Kühe das Futter fressen, für das ihr Verdauungsapparat gemacht ist: Gras. Und nicht Maissilage wie ihre deutschen Kollegen. Milch und Fleisch von Kühen wiederum, die mit Gras gefüttert wurden, enthalten weniger gesättigte Fette und mehr Omega-3-Fettsäuren. ¹¹³ Die Omega-3-Fettsäuren kann der Körper selbst nicht herstellen, sie müssen also mit der Nahrung in den Körper gelangen. Wie gesund Omega-3-Fettsäuren sind, haben dänische Forscher schon in den 1970er Jahren herausgefunden. Sie stellten fest, dass es unter Eskimos in Grönland extrem wenige Herzkrankheiten und Arthritisfälle gab, obwohl sie sehr viel tierisches Fett aßen. Mittlerweile gibt es Studien, die zeigen, dass Omega-3-Fettsäuren helfen können, Atheriosklerose, Krebs, Depressionen und Herzinfarkte zu verhindern. ¹¹⁴ Laut dem Journal of Animal Science enthält Fleisch von grasgefütterten Rindern zudem die gleiche Menge Fett wie Hühnerbrüste und dabei auch noch mehr Omega-3-Fettsäuren.
Eines muss an dieser Stelle gesagt werden: In Sachen gesunder Ernährung lassen sich für so gut wie jede These Beweise finden. Was unter anderem daran liegt, dass Forschern menschliche Versuchskaninchen nicht in der Menge zur Verfügung stehen wie Laborratten – und dass für Menschen andere ethische Bedenken geltend gemacht werden. Niemand wird einer Gruppe Probanden sieben Monate lang ausschließlich Speck oder Zucker verabreichen, um festzustellen, ob sie anschließend an Herzinfarkten sterben. Die Aussagekraft aller Studien zur gesundheitlichen Wirkung von Nahrungsmitteln ist also begrenzt. Trotzdem gibt es eine unendliche Anzahl von Ernährungsempfehlungen – fettarmes Essen, Trennkost, Veganismus, Vegetarismus, Steinzeitdiät, Rohkost, Low-Carb … Vermutlich wird es bald wissenschaftlich fundierte Gesundheitsempfehlungen für den Verzehr von Autoreifen geben. »Bald macht sich eine dichte Wolke der Verwirrung breit. Früher oder später wird alles, was Sie über die Verbindung von Ernährung und Gesundheit sicher wussten, in der Windböe der neuesten Studie weggeblasen«, klagt Michael Pollan. ¹¹⁵
Oft beweist eine Untersuchung genau das Gegenteil dessen, was eine andere behauptet. Die Botschaften, die verkünden, welches Lebensmittel gerade »in« ist, was uns länger leben lassen soll und wovon wir angeblich früher sterben, ändern sich fast so schnell und allumfassend wie die saisonalen Trendfarben in Kleidergeschäften. Was auch daran liegt, dass jedes Lebensmittel eine komplexe Sache ist. Wer Carotin braucht, kann theoretisch entweder Möhren essen oder Carotin-Kapseln schlucken. Praktisch ist der Effekt nicht der Gleiche. Eine Möhre besteht aus einer komplexen Verbindung verschiedenster Stoffe, deren Wechselbeziehungen letztlich der Grund dafür sind, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. »Kein Mensch kann Ihnen genau sagen, wie viel letztendlich in einem Brokkoli oder in einer Heidelbeere an unterschiedlichen sekundären Pflanzenstoffen vorhanden sind. Wir wissen, wenn wir einzelne Verbindungen aus diesen Pflanzen herausnehmen und
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