Fleisch essen, Tiere lieben
Diskussionen immer wieder strapazierte Argument des Methanausstoßes sind keine normalen Nebenwirkungen eines Tierlebens, sondern das Resultat der Massentierhaltung.
Es ist kein Zufall, dass die Fleischstücke, die im Supermarkt im Kühlregal liegen oder auch beim Metzger in der Auslage, nicht mehr an Tiere erinnern. Es ist heutzutage sehr leicht, eine Hühnerbrust zu braten, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass diese Brust einmal Teil eines atmenden Vogels war, der Schmerz und Angst empfinden konnte. Das biblische Gebot des »Du sollst nicht töten« leuchtet sofort ein, wenn es um Menschen geht. Aber was ist mit Tieren? Ist die Tatsache, dass wir sie essen, ein Beweis dafür, dass wir sie als minderwertige Lebewesen betrachten? Und was gibt uns das Recht dazu? Letztlich stößt jede Debatte über die Vor- und Nachteile einer fleischlosen Ernährung an diesen Punkt, der Unbehagen erzeugt und Ratlosigkeit. An die Frage: Dürfen wir das?
Michael Pollan hat eines seiner besten Bücher mit »The Omnivore’s Dilemma« betitelt – was sich mit »Das Dilemma des Allesfressers« treffend übersetzen lässt. »Wenn du praktisch alles essen kannst, das die Natur zu bieten hat, wird die Entscheidung darüber, was du essen solltest, unvermeidlich Angstgefühle auslösen, besonders dann, wenn einige der potenziellen Lebensmittel in der Lage sind, dich krank zu machen oder zu töten.« So weit das Dilemma des Allesfressers in früheren Zeiten. Heute ist es, erklärt Pollan weiter, ein anderes: Der moderne Mensch muss sich normalerweise keine Sorgen mehr um möglicherweise giftige Beeren oder Pilze machen, da jeder weiß, dass es keine gute Idee ist, Fliegenpilze und Tollkirschen in sein Frühstücksmüsli zu rühren. Umso mehr Raum bleibt uns, über die moralischen Konsequenzen unserer Nahrung nachzudenken. »Einige Philosophen haben dargelegt, dass gerade die prinzipielle Unbegrenztheit des menschlichen Appetits sowohl für unsere Wildheit als auch unsere Zivilisiertheit verantwortlich ist, denn eine Kreatur, die alles essen könnte (inklusive, bemerkenswerterweise, anderer Menschen) hat einen besonderen Bedarf nach ethischen Regeln, Umgangsformen und Ritualen. Wir sind nicht nur, was wir essen, sondern auch, wie wir essen«, schreibt Pollan.
Die Userin Gabrielle fragt im Forum der Website zu dem Buch »Tiere essen« von Jonathan Safran Foer: »Wo setzt man die Grenze, und wer hat das Recht, sie zu setzen? Hühner töten ist o. k., aber Babys töten nicht. Schweine töten ist o. k., aber Hunde nicht. Ich frage nicht leichtfertig, tatsächlich tut es mir sehr weh, wie viel Leiden die Menschen verbreiten. Über Tausende und Tausende und Tausende Jahre hinweg haben Menschen die Fähigkeit zum Mitgefühl entwickelt, sie haben ein Gewissen entwickelt, und die Fähigkeit, ›Nein‹ zu ihren Begierden und Trieben zu sagen, wenn sie wissen oder fühlen, dass es eine schlechte Entscheidung ist. Wer ist der Chef – meine Geschmacksknospen oder der Teil von mir, der fundierte Entscheidungen treffen kann?«
Fast niemand in unserem Kulturkreis würde Hunde essen wollen, aber mit Hühnern haben wir kein Problem. Hühner sind weniger niedlich als Hunde, und das ist ihr Pech. Es stimmt ja gar nicht, dass wir Tiere als seelenlose, Fleisch produzierende Maschinen betrachten. Ihr Schmerz ist uns nicht egal – zumindest dann nicht, wenn es um unsere Haustiere geht. Für Hunde, Katzen und Vögel betreiben Menschen einen Aufwand, der ins Lächerliche gehen kann. Wir behandeln sie als Gefährten, geben ihnen Namen, erziehen sie, sprechen mit ihnen und machen ihnen Weihnachtsgeschenke. Den Gedanken, dass man Hunde auch essen könnte, finden Menschen unseres Kulturkreises ekelhaft. Was nicht zuletzt damit zu tun hat, dass wir Haustiere vermenschlichen, unsere eigenen Eigenschaften auf sie übertragen. Andere Tiere, die uns weniger nahestehen, diskriminieren wir selbstverständlich. Schweine sind genauso klug, lernfähig und verspielt wie Hunde. Trotzdem sind ihr Leiden und Tod uns weitgehend egal. Sie werden als reine Nutztiere gemästet und geschlachtet. »Die Grenze zwischen Menschen und Tieren … hängt nicht von biologischen Fakten ab, sondern davon, wie sichtbar Tiere und ihre Emotionen für Menschen sind … Haustiere werden fast wie eigenständige Familienmitglieder betrachtet und steigen somit auf der Skala auf«, ¹²⁰ schreibt der Journalist Emel Mangel. Auch das Schicksal von wilden Tieren rührt uns: Das
Weitere Kostenlose Bücher