Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fleisch essen, Tiere lieben

Titel: Fleisch essen, Tiere lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theresa Baeuerlein
Vom Netzwerk:
im Tierversuch verabreichen, sehen wir in keinster Weise den Effekt, den wir sehen, wenn wir das komplette Lebensmittel verabreichen«, ¹¹⁶ meint Bernhard Watzl vom Institut für Physiologie und Biochemie der Ernährung am Max-Rubner-Institut.
    Was wir wissen: Ein Extrakt aus sekundären Pflanzenstoffen ist also kein Ersatz für einen Apfel. Warum? Das ist nicht klar. Die Verkündung der jeweiligen Lebensmittel-Heilsbotschaft hat nicht wenig mit den Interessen der Nahrungsmittelindustrie zu tun. Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um zu verstehen, dass die Großkonzerne der Lebensmittelindustrie kein Interesse daran haben, dass die Menschen sich bei der Wahl ihrer Lebensmittel auf die einfachen Dinge verlassen. Es ist kein Zufall, dass in Supermärkten immer mehr Lebensmittel auftauchen, auf deren Verpackungen gesundheitliche Vorteile versprochen werden. Joghurt, der den Darm und das Immunsystem saniert, Streichfett, das den Cholesterinspiegel senkt, und Tees, welche die Konzentration fördern: Sogenanntes Functional Food verkauft sich einfach gut. »Lebensmittel, die dem Esser ein gutes Gefühl und ein reines Gewissen vermitteln, haben Hochkonjunktur«, sagt Isabelle Keller von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Bonn. ¹¹⁷ Theoretisch kann jeder Hersteller seinen Produkten Zusätze beimischen, die als gesund gelten – und dann ein entsprechendes Gesundheitsversprechen auf seine Packung drucken. Dass sich diese Lebensmittel so gut verkaufen, ist nur ein weiteres Indiz dafür, wie wenig wir Normalverbraucher Nahrungsmittel kennen und verstehen. Zwar werden die Gesundheitsversprechen der Hersteller von Functional Food seit einiger Zeit strenger überprüft: 2006 hat die EU ihre European Food Safety Authority (EFSA) – die Behörde für Lebensmittelsicherheit im italienischen Parma – mit der Überprüfung aller Gesundheitsversprechen bei Joghurts, Säften und Schokoriegeln beauftragt. Thilo Bode von Foodwatch findet in einem Interview mit dem Spiegel deutliche Worte: »Functional Food ist eine Täuschung und keine Innovation. Wenn ein solches Produkt tatsächlich eine Wirkung hat wie cholesterinsenkende Margarine, handelt es sich um eine Art Medikament und nicht um ein Lebensmittel. Gesunde Menschen brauchen das nicht – wer aber krank ist, soll zum Arzt oder zum Apotheker gehen.« ¹¹⁸
    Es mag klingen, als müsste man mindestens ein Medizinstudium und einen Agrarbachelor ableisten, um ein qualifiziertes Urteil über seinen Frühstückstoast fällen zu können. Die vielen Informationen über Lebensmittel, die zur Verfügung stehen, wenn man beispielsweise in einem unbedachten Moment das Wort »Soja« googelt (mehr als 10 Millionen Treffer), reichen aus, um statt fundiertem Wissen grenzenlose Hoffnungslosigkeit zu verbreiten. So schwer ist es aber gar nicht. Was tun also? Drei Dinge: Nicht jeder neuen Studie glauben. Das Lustgefühl beim Essen nicht vergessen. Und, vor allem: Nicht zu kompliziert denken. Michael Pollan hat die Regeln des gesunden Essens sehr einfach zusammengefasst: »Iss Nahrung. Nicht zu viel. Vor allem Pflanzen.« ¹¹⁹ Mit »Nahrung« sind echte Lebensmittel gemeint – also Essen, das als solches erkennbar ist und nicht eine Reihe komplizierter chemischer Prozesse durchmachen musste. Und: Fleisch sollte eher als Beilage fungieren, nicht als Hauptgericht. Ein kleiner Teil tierischer Nahrungsmittel aus nachhaltigen Quellen ist nicht nur einigermaßen vertretbar, sondern eine gute Sache. Mark Bittman, Kochbuchautor und Food-Kolumnist der New York Times , hat die Bezeichung »Lessmeatarian« erfunden und tritt für das Vegan-bis-zum-Abendessen-Prinzip ein. Also: Tagsüber nur pflanzlich essen – zum Abendessen dann alles, worauf man Lust hat. So lässt sich die Verantwortung mit dem Lustprinzip verbinden – und das Schwarz-Weiß-Extrem aus der Fleisch-oder-nicht-Fleisch-Debatte nehmen. Eine solche Ernährungsempfehlung ist massentauglich und schafft vermutlich mehr Gutes als eine weitere Meat-is-Murder-Kampagne.

12
    Löwenburger, Hühnertricks und unser Problem mit dem Tod
    Der Begriff »Fleisch produzieren« stört mich. Ich meine, ein Tier produziert Fleisch genauso wenig, wie ich selbst Fleisch produziere. Ein Tier lebt. Diese Definition erscheint manchen Menschen vielleicht nebensächlich, aber sie trifft den Kern. Denn nur, weil Tiere wie Dinge behandelt werden, belasten sie die Umwelt. Die enorme Energie, die Futterkosten, die Umweltverschmutzung und das in

Weitere Kostenlose Bücher