Fleisch und Blut 2: Thriller (German Edition)
keine Möglichkeit, dachte sie, bei der nicht noch mehr Unschuldige verletzt oder getötet worden wären. Doch auch die Einsicht, zu einem gewissen Maß richtig gehandelt zu haben, verschaffte ihr in diesen Augenblicken keine Linderung.
Du hast auf ganzer Linie versagt…
Es gab keine Hoffnung mehr, der sie sich hingeben konnte. Keine Zuversicht , die ihr Kraft gegeben hätte. Stattdessen wurden die Schatten in der Stadt immer länger und die Finsternis begann bereits, um sich zu greifen. Stück für Stück erwachte die Dunkelheit wieder zum Leben. Nicht mehr lange, dachte sie, und es würde in den Straßen nur noch so von Monstern wimmeln, die auf der Jagd nach neuen Opfern waren.
Und wenn die beiden Agenten bis dahin nicht zurückkehrten und abhauten, dann war ihr Schicksal ebenso besiegelt wie das von Ted und vielleicht auch Andy. Sie alle würden noch in dieser Nacht sterben, dachte Claire. Und auch wenn sie alles gaben und bis zum letzten Atemzug kämpften, dann wären sie dennoch kaum mehr als vier weitere Furchen auf dem riesigen Kerbholz ihres eigenen Versagens.
Vier weitere Bauernopfer in Georges blutigem Spiel …
Sie selbst, dachte Clai re, würde vielleicht überleben. Doch um welchen Preis? Selbst wenn sie die Nacht überlebte und es ihr wie durch Zauberhand gelang, sich irgendwie von ihren Fesseln zu befreien, war ihre Mission gescheitert. Ihr eigener Wagen, der einige hundert Meter entfernt geparkt war, würde bis dahin den Dienst quittiert haben.
Mit Sicherheit sogar …
Claire wusste, dass der Tank nur noch halbvoll gewesen war, als sie die Stadt endlich erreicht hatte. Sie hatte vorgehabt, in Plain Rock ein weiteres Mal zu tanken. Doch die Dinge waren letztlich anders gekommen als erwartet und deshalb hatte sie keine Gelegenheit gefunden, um sich darum zu kümmern.
Und nun saß sie da, quälte sich und überschlug in Gedanken immer wieder den Durchschnittsverbrauch des Motors, um daraus abzuleiten, wie lange der Sprit noch reichen würde.
Doch ganz egal, wie großzügig ihre Rechnungen auch ausfielen…
… im Stand verbraucht der Wagen weniger Sprit, die Klimaanlage ist aus, ebenso die Lichter…
… wusste sie insgeheim, dass es vergebens war:
Der Sprit würde nicht bis zum nächsten Morgen reichen und der Motor würde absterben. Und wenn das passierte, dachte Claire, dann würde auch die Autobatterie bald ihren Dienst versagen und das wichtige Paket auf dem Rücksitz würde innerhalb kürzester Zeit völlig wertlos werden. Eine weitere Chance, George beizukommen, würde dadurch unwiederbringlich verloren gehen und sie konnte nichts dagegen unternehmen. Stattdessen musste sie ausharren und darauf warten, was als Nächstes passieren würde. Sie konnte nichts anderes tun, als sich vollends ihrem Schicksal zu ergeben – ganz egal, wie grausam es vielleicht auch sein mochte.
Dieser Gedanke war es letztlich, der Claire die Tränen in die Augen trieb.
Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann sie das letzte Mal geweint hatte. All die vergangenen Wochen und Monate über war sie standhaft geblieben und hatte Stärke gezeigt. Sie hatte sich um Amanda gekümmert, so gut sie dazu in der Lage gewesen war. Nebenbei hatte sie Pläne geschmiedet und überlegt, wie sie George erledigen konnte. Sie war nächtelang wachgelegen und hatte überlegt.
Doch in dieser ganzen Zeit war ihr niemals auch nur eine einzige Träne über die Wangen gekullert. Stattdessen hatte sie sämtliche Ängste und Sorgen tief in ihrem Inneren vergraben und sie verdrängt. Sie hatte sich selbst geschunden und darauf vertraut, dass all ihre Mühen letztendlich etwas bezwecken würden. Dass es ihr ein für allemal gelingen würde, jene Schuld zu tilgen, die sie in der Waldhütte auf sich geladen hatte. Die Schuld, die letztendlich unzählige Menschen das Leben gekostet hatte.
Doch in diesem Augenblick, da sie endgültig auf verlorenem Posten stand, kämpfte sie nicht mehr dagegen an und ließ ihren Tränen freien Lauf. Und auch wenn dies eigentlich nicht zu ihr passte, so konnte sie dennoch spüren, wie mit einem Mal eine große Last von ihr abfiel. Es kam ihr vor, als wäre ein riesiges Staubecken geöffnet worden, kurz bevor der Druck darin die kritische Marke erreicht hatte.
Die Welt vor Claires Augen versank in einem Meer von Schlieren, während sie leise in sich hinein schluchzte.
Der heiße Strom aus Tränen war gerade dabei zu versiegen, als sie am Rande ihres Gesicht sfeldes eine Bewegung wahrnahm:
Ein
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