Fleisch und Blut - Der Kannibale
Ziel angekommen.
«Ob ich bei einem der drei Bauernhäuser klingeln soll? Vielleicht öffnet mir der Mörder von Lukas Brennwald die Türe.»
Jürg Ambauen überlegte es sich dann doch anders. Die Vernunft ermahnte ihn, kein Risiko einzugehen.
Albtraum Schlachtraum
Nur in einem der drei Bauernhäuser sah er Licht durch die Gardinen schimmern. Einige Schritte davon entfernt stand einen weiteres Gebäude, vermutlich eine Scheune.
«Dass hier in der Pampa überhaupt Menschen leben!»
Als Stadtmensch hätte er es sich niemals vorstellen können, so abgeschieden zu hausen. Die Ruhe machte ihn hibbelig. Vielmehr zog er das Pulsierende dem Landleben vor. Den Stadtkreis 5 mit seinen Beizen, Clubs und all den Leuten, die Tag und Nacht die City belebten, mochte er besonders. Dort fühlte er sich heimisch. Dort, wo die Menschen unterschiedlichster Natur und Status zusammenkamen. Aber hier in der Pampa war jemand vollends abgeschossen. Hier gab es noch nicht einmal eine Bäckerei oder einen Tante-Emma-Laden.
Der Journalist überlegte scharf. Dieses verlassen wirkende Gebäude, das er als Scheune deutete, wollte er sich genauer anschauen. Es hatte eine anziehende Wirkung auf ihn. Das Holztor war mit Kette und Schloss verriegelt. Durch die Risse zwischen den Holzlatten spähte er in den Innenraum. Es war stockdunkel. So sehr er sich anstrengte, das Einzige, das er sehen konnte, war ein schwarzes Loch.
«Verflucht! Was mach ich nun?»
Auch das Licht seines iPhones half ihm nicht weiter. Je länger er vor dem lotterigen Gebäude stand, umso neugieriger wurde er. Leise schlich er der Hausfassade entlang. Intuitiv drehte er sich noch einmal zurück. Es fühlte sich an, als ob ihm die Blicke eines Augenpaares in den Rücken stechen würden. Ambauen vergewisserte sich, dass ihm niemand gefolgt war.
Kurzerhand bog er um die Ecke und entdeckte ein Fenster.
«Meine Chance!»
Ambauen fühlte, dass er der Wahrheit endlich näher kommen würde und hoffte, eindeutige Beweismittel zu finden. Von dem Verbrechen selbst konnte er sich kein Bild machen. Er hatte keine Vorstellung von dem Motiv des Täters. Es war ihm auch egal. Er brauchte lediglich genügend Material für seine Story. Einige Fotos würden ihm für seinen Bericht reichen. Den Rest der Arbeit sollte die Polizei erledigen. Er wünschte sich geradezu, dass der strenge Kommissar stolz auf ihn sein werde. Ambauen zollte ihm grossen Respekt. Obschon er sich etwas sehr aus dem Fenster lehnte, hatte er kein schlechtes Gewissen, auf eigene Faust dem Mörder auf die Spur zu kommen.
Genauso wenig fühlte er sich schuldig, in fremdes Eigentum einzubrechen. So leise wie möglich kletterte der Journalist flink über das Fenstersims in den Innenraum.
Sehen konnte er nichts, aber riechen. Es stank bestialisch.
«Booaa. Ich muss gleich kotzen!»
Er atmete durch den Mund. Es ging nicht anders.
«Das stinkt nach Verwestem! Es muss der Tod persönlich sein, der hier wohnt.»
Grauenvolle Bilder von toten Tieren schossen ihm instinktiv durch den Kopf. Er überlegte wie viele Tiere hier wohl schon ihr Leben gelassen hätten. Anders konnte er sich den Gestank nicht erklären. Doch dann kam ihm der Kannibale in den Sinn.
Es war der zweite Moment, in dem er zweifelte, ob sein Vorhaben, den Mörder auf eigene Faust zu finden, wohl richtig sei. Schon als er sich im Wald in die Hosen gepisst hatte, waren kurz Zweifel in ihm aufgekommen. Mulmig zu Mute war ihm alleweil und die genässten Jeans fühlten sich noch immer eklig an. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sich zuletzt in die Hosen gemacht hatte.
Der Boden war glitschig, die Wände klebrig – sein Tastsinn funktionierte offenbar einwandfrei.
«Wonach suche ich eigentlich?»
Viel Akku hatte er nicht mehr übrig. Mit seinem iPhone leuchtete er durch den Raum. Die mit hellblauen Fliesen überzogenen Wände waren schmutzig. Die eine Wand zierte ein graffiti-ähnlicher Schriftzug aus blutroter Farbe. Oder war es Blut?
In der Raummitte entdeckte er ein metallenes Möbel. Es glich einem alten Bettgestell mit Federn. Daneben stand eine zwei Meter lange Holzkommode.
«Das sind Werkzeuge aus der Steinzeit und sie wurden mindestens so lange nicht mehr gereinigt!», brummelte er vor sich hin, während er eine verrostete Säge musterte, die neben dem Holzhammer lag.
«An diesen fürchterlichen Geruch werde ich mich nie gewöhnen.»
Vielleicht war es die Angst, die ihn zu
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