Fleisch und Blut - Der Kannibale
er einfacher telefonisch erledigen können.»
«Mich hat es nicht gestört, immerhin hat er am Ende versprochen, dass er beim Chefredaktor ein Wort einlegen werde und es dann eventuell ein Portrait über unseren Verein geben würde. Da fällt mir ein: er hatte sich zudem erkundigt, ob im letzten Jahr neue Mitglieder beigetreten waren. Er war auf der Suche nach einem Bekannten, der seit einigen Monaten wieder in der Gegend leben sollte. Die Frage fand ich seltsam. Aber nun gut, ein Journalist wird schon wissen, seine Fragen zu stellen. Spontan ist mir dazu einer eingefallen, der an einem unserer Treffen zum Schnuppern gekommen war.»
«Haben Sie dem Journalisten seinen Namen genannt?»
«Ich konnte mich nicht mehr an seinen vollen Namen erinnern. Er hatte sich mir als Lex vorgestellt.»
«Lex, das war sein Vorname?»
«Vermutlich. Ein schräger Vogel, ganz eindeutig. Der tickt nicht ganz sauber. Am Anfang war er auffallend freundlich gewesen. Je länger dann das Gespräch dauerte, desto fanatischer, geradezu fixiert, sprach er von mittelalterlichen Ritualen. Dazwischen schwärmte er von einer goldenen Quelle.»
«Eine goldene Quelle also. Und Sie wissen nicht zufällig, was er damit gemeint hat?»
«Keine Ahnung. Er erwähnte, dass diese goldene Quelle ihn eines Tages stinkreich machen würde. Seine Augen funkelten, als er das sagte.»
«Meine Güte, aber natürlich! Wie konnte ich nur so blind sein!» Energisch zog sich Carla Fuchs den Sommermantel über, um sofort zurück nach Ravensbühl zu fahren. Sie musste mit Kollege Aemisegger telefonieren.
Beim Hinausgehen drehte sie sich zu Ritler um: «Eine Bitte habe ich an Sie: würden Sie mich sofort anrufen, sollten Sie von diesem Lex hören? Oder rufen Sie Kommissar Aemisegger an!» Sie reichte ihm die beiden Visitenkarten. «Und seien Sie vorsichtig, treffen Sie sich nicht alleine mit diesem Lex!»
«In Ordnung. War’s das schon? Ich dachte …»
Eilig rauschte die Detektivin durch die Tür ins Freie und nahm die nächste Zugverbindung zurück nach Pfäffikon. Sie verspürte wieder dieses Frösteln, eine unterschwellige Angst vor dem Unbekannten. Dieser Lex war für sie strengstens verdächtig, und es ärgerte sie, dass sie keine Telefonnummer oder Adresse von ihm hatte in Erfahrung bringen können. Journalist Ambauen war ihm offensichtlich hinterher gewesen. Nur wie hat er seine Adresse herausbekommen?
Freunde fürs Leben
Die Kommissare Aemisegger und Köppel sassen bei der Detektivin zu Hause in Ravensbühl am Tisch. Nicht, dass es ein Plausch-Kaffeekränzchen werden sollte: Carla Fuchs wollte den Kommissaren von ihrem Besuch bei dem Verein Mittelalter erzählen, von Anton Ritler, diesem seltsamen Kauz und von einem verdächtigen Lex, von dem sie nicht mehr als seinen Vornamen wusste.
«Sie wollten mir von einer Klassenliste erzählen?», fragte die Detektivin, nachdem sie sich erkundigt hatte, ob die Herren mit Kaffee und Kuchen bedient waren. Köppel lobte den selbstgebackenen Rüeblicake und hob sich ein weiteres Stück auf den Teller, bevor er in seiner jugendlichen Euphorie die Neuigkeiten verbreitete: «Genau, die Klassenliste! Wir haben die von Remo Iseli, dem Mitbewohner unseres ersten Opfers Brennwald, erhalten. Durch die Klassenliste konnte ich die damalige Klassensprecherin ausfindig machen. Und ob Sie es glauben oder nicht: der Mitschüler Markus Fricker trug den Übernamen Kusi. Selbstverständlich bin ich diesem Hinweis bereits nachgegangen.»
«Dann spannen Sie mich mal nicht auf die Folter. Was haben Sie herausgefunden?»
«Das werde ich Ihnen gleich sagen. Endlich geht’s in unserem Fall vorwärts. Markus Fricker zu finden und an seine Zahnbürste für den DNA-Abgleich zu gelangen, war nicht einfach. Ich bin über Umwege zu seiner aktuellen Freundin gelangt. Die Dame erschien mir verzweifelt. Ihr Freund Kusi hatte sich einfach aus dem Staub gemacht. Sie informierte mich, dass sie erst seit kurzem mit Kusi zusammen gewesen war. Am Tag seines Verschwindens hatten sie einen heftigen Streit, es ging um einen gemeinsamen Bekannten, einem ehemaligen Schulkollegen, mit dem Kusi sich treffen wollte. Sie wollte lieber mit ihm alleine Zeit verbringen und war enttäuscht, dass er überhaupt auf die Idee gekommen war, den heiligen Samstagabend nicht mit ihr zu geniessen. Kusi war das Theater seiner Freundin egal. Er setzte seinen Kopf durch und liess sie in der Wohnung sitzen. Sie gab an, seither nichts
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