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Fleisch und Blut

Fleisch und Blut

Titel: Fleisch und Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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sein, tat ein Übriges.
    Ich wurde schneller, als ich an Dave Dells Glasschüssel vorbeikam. Das Haus war riesig, aber aus der Nähe sah es schäbig aus - graue Farbe zerkratzt von Wind und Salz, zugezogene Vorhänge, kein Anzeichen dafür, dass es bewohnt war. Das nächste Grundstück mäanderte an der Klippe entlang, ganz vorne standen Gruppen von grob zurückgeschnittenen Büschen, dahinter sich spastisch windende Kiefern. Eine wacklige Treppe zum Strand hing in der Luft - die untersten zwölf Stufen waren abgerissen worden.
    Als ich weiter nach Süden kam, frischte die Brise auf, und jetzt paddelte ich ein bisschen, nur um zu verhindern, dass ich zurück zum Land getrieben wurde. Ein paar Minuten später erschien das erste Zeichen für eine Kabbelung - schmale Röhren sich kräuselnden Wassers überzogen die Haut des Pazifiks. Als ich darüber fuhr, bockte das Kajak und ließ sich dann sanft nieder.
    Drei weitere Anwesen, zwei mit intakten Treppen, die so steil waren, dass man sie fast Leitern hätte nennen können. Norris' Geschichte von einem rasch verschwindenden Strand war vielleicht übertrieben, aber die Zeichen der Erosion waren in den Furchen unverkennbar, die die Kliffe senkrecht durchschnitten. Ein Vorsprung von Felsfingern reckte sich ins Wasser, und ich trieb das Kajak weiter ins Meer hinaus und streifte dabei die östliche Begrenzung einer schwimmenden Masse aus Seetang. Plötzlich versteckte sich die Sonne wieder, und das Wasser wurde dunkel. Ich war knapp fünfzehn Meter von der Brandungslinie entfernt, als Tony Dukes Standseilbahn in Sicht kam.
    Dukes Grundstück war breiter und lag höher als die seiner Nachbarn, und seine Grenze zum Meer hin war gewundener - eine Reihe von S-Kurven hatte sich gebildet, wo die Felskante abgebrochen war. Der Abhang war mit Sukkulenten bepflanzt worden, aber alles, was übrig geblieben war, waren kümmerliche graugrüne Flecken, und die Erosionsnarben waren lang und tief und unmöglich als vorübergehend zu verkennen. Unten war Dukes Stückchen Strand, eine löffelförmige Aussparung, die nur vom Wasser aus zu sehen war. Die Standseilbahn war eine einfach gehaltene Angelegenheit, eine Kabine aus Redwood und dunkle Metallschienen, die sich dem Hang gut anpassten. Die Passagierkabine ruhte oben auf der Klippe, überschattet von einem braunen Metallbogen, der vermutlich irgendeine Art von Motorantrieb darstellte. Die Schienen fielen von der Kuppe zum Strand fast senkrecht ab, klebten wie durch Zauberkraft an der nackten Erde. Wenn Pflanzen keine Wurzeln schlagen konnten, konnte man dann Metallschrauben trauen?
    Jemand war offenbar davon überzeugt. In dem Löffel waren eine Frau in einem Liegestuhl und zwei kleine weißblonde Kinder zu sehen. Ich war zu weit draußen, um das Alter der Frau bestimmen zu können. Ihr großer Strohhut und ihr bauschiges weißes Kleid stellten keine Hilfe dar. Die Kinder schienen etwa drei oder vier Jahre alt zu sein. Das kleinere - ein Mädchen in einem pinkfarbenen einteiligen Badeanzug - saß mit gespreizten Beinen im Sand und schippte mit einer leuchtend orangefarbenen Schaufel Sand in einen grünen Eimer. Ein paar Schritte vor ihr lief ein nackter Junge am Ufer entlang, trat gegen das Wasser, hob Klumpen aus Seetang auf und warf sie halbherzig ins Meer.
    Der Körper der Frau wirkte auf eine Weise gelöst, die man nur im Schlaf oder durch Hypnose erreicht. Im Sand neben ihrem rechten Arm warf irgendetwas Gläsernes Licht zurück.
    Ich hörte auf zu rudern, paddelte ein wenig rückwärts, um auf der Stelle zu bleiben, und beobachtete sie. Der nackte Junge sah mich, starrte zurück und hob den Arm. Nicht zum Gruß - ein Winken mit geballter Faust, aggressiv. Die Frau bewegte sich nicht. Ich fing wieder an zu rudern - langsam. Die Brise schob mich über eine Kabbelwelle, und Wasser klatschte ins Boot. Die Luft war kälter, und die Lache um meine nackten Füße war ein eisiges Bad geworden. Als ich ein gutes Stück über Dukes Grundstück hinaus war, warf ich einen Blick zurück. Der Junge hatte das Interesse an mir verloren, stand bis zu den Oberschenkeln im Wasser und plantschte.
    Ich trieb an mehreren anderen Grundstücken vorbei und sah zwei Häuser, die so groß wie Kathedralen waren, aber keine Leute. Der Wind war hartnäckig geworden, und meine in Salzwasser getauchten Füße waren taub. Ich kreuzte noch ein paar Kabbelungen, fand ruhiges Wasser, blieb eine Weile dort, schaukelte auf der Stelle, starrte auf den Ozean hinaus und

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