Fleisch und Blut
glaubt, er war angeln«, erklärte die Frau. »Er glaubt, es sei Ihre Schuld, dass er nichts gefangen hat.«
»Tut mir Leid«, sagte ich.
Baxter machte ein finsteres Gesicht.
»Der große Fischefänger«, sagte die Frau. »Ich kann nicht glauben, dass er das tatsächlich getan hat. Das hat er noch nie gemacht.«
»So sind Kinder«, sagte ich. »Immer etwas Neues.«
»Kein Fisch«, sagte Baxter.
»Fiss«, wiederholte Sage.
»Wie, du hast auch eine Meinung, du kleines wildes Ding?«, fragte die Frau. Sie bückte sich und starrte beide Kinder an. »Das war dumm von euch - richtig dumm. Ihr wart beide dumm, stimmt's?«
Keine Antwort. Baxter war auf einmal zutiefst gelangweilt, und die Aufmerksamkeit seiner Schwester wurde von dem Sand zu ihren Füßen in Anspruch genommen.
»Ihr wilden, wilden Kinder«, sagte die Frau, »soweit ich weiß, sind Haie da draußen, die euch fressen könnten! Haie!« An mich gewandt: »Stimmt das nicht?«
Bevor ich antworten konnte, wiederholte sie: »Haie! Um euch zu fressen*.«
Die Möglichkeit rief bei Baxter ein Grinsen hervor. Bis auf ein paar Kratzer auf der Brust sah er unversehrt aus.
»Oh, du hältst das für lustig. Würde dir das gefallen? Wie? Würde es das? Von einem Hai gefressen zu werden - verschlungen, als wenn du sein Big Mac wärst oder so was? Wäre einer von euch gerne ein Big Mac?«
»Auf keinen Fall«, sagte Baxter und stellte ein Bein vor. »Ich fresse ihn.«
Das kleine Mädchen kicherte.
»Du bist unmöglich«, sagte die Frau. »Ihr seid beide unmöglich.«
Sie richtete sich auf, verschränkte ihre Arme unter den Brüsten und verwandelte die Brustwarzen in Zwillingstorpedos. Sie hatte eine rauchige, aber mädchenhafte Stimme, wunderschöne, leicht sommersprossige weiße Haut und sah so aus, als wäre sie kaum aus dem Teenager-Alter raus. Volle, weiche Lippen, zierliches Kinn, langer Hals, und die grünblauen Augen waren riesengroß und standen unter gezupften Augenbrauen weit auseinander. Bis auf die extravagant roten Finger- und Fußnägel, die im selben Farbton lackiert waren, trug sie kein Make-up.
»Scheiß-Hai«, sagte Baxter.
»Seis-Hai«, sagte das Mädchen.
»Oh, Jesus«, sagte die Frau, fasste beide Kinder bei der Hand und schüttelte den Kopf. Sie atmete schwer und schnell, aber ihre Brüste bewegten sich kaum. Zu groß und zu fest, und der Rest von ihr war zu schmal, um eine derart massive Brust zu tragen. Stabilität dank dem Skalpell.
Ich glaube nicht, dass ich sie angestarrt habe, aber vielleicht doch, weil sie sich plötzlich ihres Körpers bewusst zu werden schien - der Tatsache, dass sie im Grunde splitternackt war, weil ihr nasses Kleid sich in eine zweite Haut verwandelt hatte. Sie zeigte ein schwaches, wissendes Lächeln, warf ihr Haar zurück und starrte mir in die Augen, als ich mich zwang, von den Kurven darunter wegzusehen. Folgte ihren Augen - jetzt sah ich bernsteinfarbene Flecken in der großen, klaren grünblauen Iris -, die an ihrem eigenen Körper hinuntersahen. Dann wechselte ihr Blick zu mir, um eine kurze Beurteilung meines Neoprenanzugs vorzunehmen. Sie lächelte erneut, drehte sich um und zog die Kinder, eins an jeder Hand, zurück zu dem Platz, wo sie eingeschlafen war. Sie ging langsam auf den Zehenspitzen und mit einem hüftschwenkenden Tänzeln, das ihr Hinterteil wackeln ließ.
Ich folgte ihr, was ihr klar sein musste, aber auf dem ganzen Weg zurück zu ihrem Liegestuhl nahm sie keine erkennbare Rücksicht auf mich. Der Strohhut lag halb begraben im Sand. Das glänzende Ding, das ich vom Kajak aus gesehen hatte, war eine Evian-Flasche. Ich merkte, dass ich das Kajak vergessen hatte, und drehte mich auf der Stelle um.
Das Boot war aufgelaufen, mit der Unterseite nach oben und fast genau an der Stelle, wo ich Baxter, den Ohrenbeißer, an den Strand gebracht hatte. Ich lief hinüber und zog es so hoch, dass die Flut es nicht erreichen konnte; als ich mir des Pochens in meinem Ohr bewusst wurde, berührte ich das Ohrläppchen und inspizierte meinen Finger. Kein Blut, aber diese kleinen Zähne hatten getan, was sie konnten: Ihre Abdrücke waren noch zu spüren, und das Ohrläppchen fühlte sich heiß an.
In der löffelförmigen Strandnische war die Frau in dem nassen Kleid stehen geblieben und sagte etwas zu ihren bei- den Kindern. Sage sah sie an, aber Baxter hatte seine Aufmerksamkeit wieder dem Ozean zugewandt, und als er sich auf das Wasser zubewegte, hielt ihn die Frau zurück.
Dann winkte sie mir zu. Ich
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