Fleisch und Blut
Blick zum Strand verriet mir, dass ich meine Orientierung nicht verloren hatte - die Frau im weißen Kleid schwamm ebenfalls. Aber sie hatte nur ein Drittel der Strecke zurückgelegt und war in Schwierigkeiten, weil das Kleid sich blähte wie ein Fallschirm nach der Landung. Hinter ihr näherte sich das rundliche Mädchen dem Wasser ...
Ich wollte sie gerade warnen, als ich den Kopf des Jungen erblickte, dann seinen ganzen Körper - fünf Meter vor mir, der hin und her gewälzt wurde wie ein Stück Seetang, als ihn eine Welle hochschob und wieder untertauchte, und jetzt hatte er verängstigt ausgesehen. Ich kraulte auf ihn zu und sah nur, wie die Schwerkraft ihn wieder in die Tiefe zog. Er schlug mit den Armen wild um sich - verlor endgültig die Kontrolle.
Ich warf mich über die Kabbelung, die ihn gepackt hatte, griff nach ihm, bekam nasses Haar zu fassen, einen dünnen Arm, dann einen kleinen, knochigen Oberkörper, der sich in meinem Griff wand. Ich umfasste seinen Körper mit einem Arm, hielt seinen Kopf über Wasser und begann zum Land zurückzupaddeln.
Er kämpfte gegen mich an.
Trat mir in die Rippen, stieß mit dem Kopf gegen meine Brust, schrie mir ins Ohr. Winzige Zähne bissen so hart in mein Ohrläppchen, dass ich meine ganze Selbstbeherrschung aufbieten musste, um nicht loszulassen.
Er war stark für seine Größe und trotz allem, was er durchgemacht hatte, sehr lebendig. Knurrend und spuckend setzte er alles daran, mich wieder ins Ohr zu beißen. Ich schaffte es, seine beiden Arme fest an mich zu drücken, und hielt mit dem Kinn seinen Kopf von meinem weg, während ich weiter Richtung Strand schwamm. Er heulte und stampfte und stieß mit seinem kleinen Schädel gegen mein Schlüsselbein.
Als das Wasser flach genug geworden war, stand ich auf und hielt seinen um sich schlagenden kleinen Körper auf Armeslänge von mir weg. Sein verzerrtes, dreieckiges Gesicht stieß einen heiseren Wutschrei aus. Eine gute kräftige Lunge, hübsch aussehendes Kind. Vier oder fünf.
»Runter!«, schrie er. »Lass mich runter, pipikacka Arschloch! Runter!«
»Aber ja doch, mein kleiner Herr«, sagte ich nach Luft schnappend.
Hinter mir schluchzte eine Frau: »Baxter!«, und schlanke weiße Hände mit langen roten Fingernägeln entrissen mir den Jungen.
Ich suchte nach dem Mädchen.
Sie war bis zu den Knien im Wasser. Die Frau im weißen Kleid umarmte den Jungen und wandte dem Mädchen den Rücken zu.
Ich zeigte auf das Mädchen. »Soll ich sie holen, oder gehen Sie?«
Die Frau fuhr rasch herum. Sie war jung, sehr jung, und hatte das gleiche dreieckige Gesicht wie Baxter. Grünlich blaue Augen folgten meinem Finger, und sie erstarrte. Das sackartige Kleid hatte sie bis auf die Haut durchnässt, hauchdünne weiße Baumwolle nahm eine dunklere Fleischfarbe an, hob die Konturen zu voller Brüste hervor, die getupfte Umrisslinie eines weißen Spitzenslips, der Spalt zwischen den Schamlippen sichtbar unter der Spitze.
»Oh!«, sagte sie, aber sie rührte sich immer noch nicht, und das Mädchen stand nun bis zur Taille lachend und spritzend im Wasser. Winzig kleines Ding - zweieinhalb schätzte ich - mit einer Menge Babyspeck, einem konvexen Bäuchlein, einem vor Staunen geöffneten Knospenmund. Das weißblonde Haar oben zu einem Knoten zusammengebunden, eine Sandschicht auf dem Bauch. Der Wind war stark genug, die Bäume am Klippenrand zu zausen, und dreißig Zentimeter hohe Brecher schlugen auf den Sand.
»Baxter«, sagte die Frau mit zitternder Stimme. »Sieh mal, was Sage da macht. Ihr bringt mich noch um.« Den Jungen immer noch im Arm, bewegte sie sich auf das Mädchen zu, stolperte, fiel hin und ließ den Jungen fallen, der Sand in den Mund bekam und zu würgen und zu schreien begann.
Ich lief auf Sage zu. Hörte die Frau rufen: »Oh, mein Gott, ich bin so blöööd!«
Ich erreichte die Kleine in demselben Moment, als sie auf ihr Hinterteil fiel, Wasser schluckte und zu schluchzen begann. Als ich sie in die Arme nahm, hörte sie sofort auf zu weinen. Kicherte. Berührte meine Lippe mit einem winzigen, sandigen Finger. Kicherte erneut und versuchte, mir damit ins Auge zu stoßen.
»Hey, Süße«, sagte ich.
»Süße. He he. « Erneute Attacke. Ich hielt den Finger fest, und das fand sie ungeheuer komisch.
Ich trug sie zurück zu der blonden Frau und übergab sie ihr. Baxters Mund war sauber und grinste schief. Er funkelte mich an, verkündete: »Kein Fisch« und schüttelte die Faust.
»Er
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