Fleisch und Blut

Titel: Fleisch und Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman

Vom Netzwerk:

zurückkommen, kleben ihnen die Sachen am Leib, und sie sind stinksauer. Die einzige Möglichkeit, trocken zu bleiben, ist ein Neoprenanzug, Mann. Den kann ich Ihnen auch ausleihen.«
    »Machen Sie einen Doppelpack draus«, sagte ich. »Wie viel?«
    Er leckte sich die Lippen, zog einen Zinkflecken von seiner Nase. »Zuerst muss ich die Hütte aufschließen, dann muss ich 'ne Taschenlampe finden, damit ich die Anzüge überprüfen kann, ob auch keine Risse drin sind nach all der Zeit, die sie hier schon hängen. Dann muss ich nachsehen, ob nicht Spinnen und Skorpione reingekrochen sind - die haben wir nämlich auch hier.«
    »Skorpione?«, fragte ich. »Am Strand?«
    »Kleine schwarze fiese Dinger. Man meint, die gab's nur in der Wüste, aber sie sind hier, Mann, überwintern oder was auch immer. Sind wahrscheinlich mit einem Laster von T. J. hierher getrampt. Deshalb werd ich meine Hand reinstecken und den Anzug ausschütteln.«
    »Das weiß ich zu schätzen. Die Kammerjägergebühr muss ich auch zahlen?«
    Er lachte. »Nun ja«, sagte er, »normalerweise sind es zwanzig Dollar die Stunde für das Boot, zwölf für den Anzug, sechs für Maske und Flossen, das wären also achtunddreißig im Voraus, und für gewöhnlich nehmen wir einen Führerschein als Kaution.«
    »Keine Maske und keine Flossen«, sagte ich. »Nur das Boot und der Anzug.«
    »Sie kriegen kalte Füße.«
    »Damit kann ich leben.«
    »Ihre Entscheidung, Mann - okay, wie lange wollen Sie draußen bleiben? Denn ich hatte nicht vor, den ganzen Nachmittag hier zu bleiben. Ich meine, ich komme hierher, aber ich hänge es nicht an die große Glocke, wenn Sie wissen, was ich meine?«
    »Im Höchstfall zwei Stunden.«
    »Zwei Stunden - yeah, damit kann ich leben. Das wären also vierundsechzig Dollar, aber für Sie mach ich einen Sonderpreis - sagen wir glatte fünfundfünfzig, und ich nehme auch keine Kaution, denn wo zum Teufel wollen Sie schon hin? Falls es Cash ist.«
    Zwinker, zwinker.
    »Cash ist es«, sagte ich und griff nach meiner Brieftasche.
    Er wählte einen Schlüssel aus seinem Bund und steckte ihn in das Schloss der Hüttentür. »Rostig. Der Ozean hört nie auf zu essen - irgendwie irre, oder? Auch cool. Der Ozean wird hier noch eine Milliarde Jahre sein und wir nicht. Warum soll man sich also über irgendwas Gedanken machen?«

    Die Masse unter der blauen Plane bestand aus den Kajaks, und er zog einen weißen Einer mit gelben Zierleisten heraus und nahm ein Paddel aus der Hütte. Ich zog mich hinter dem kleinen Gebäude aus, während Norris - nachdem ich ihn bezahlt hatte, stellte er sich vor - das Kajak startbereit machte. Nackt und zitternd in der kalten Luft stehend, überprüfte ich Ärmel und Beine des Neoprenanzugs ein zweites Mal auf unheimliche Kriechtiere. Als ich in das Gummifutteral geschlüpft war, wurde mir fast sofort warm.
    »Hey«, sagte Norris, als ich hervortrat. Er kniete neben dem Boot und wischte es innen mit einem schmutzig aussehenden Lappen ab. »Mr. Lloyd Bridges, Mann. Es gibt 'ne Reißverschlusstasche am linken Bein für Ihre Brieftasche und Ihre Schlüssel. Den Rest von Ihren Sachen können Sie in Ihrem Wagen lassen - cooler Wagen übrigens. Solange Sie rechtzeitig zurückkommen, werd ich ihn nicht stehlen.« Er stopfte den Lappen in die Gesäßtasche seiner Shorts und gab der Fiberglasseite des Bootes einen Klaps. »Ich hab Ihnen ein gutes rausgesucht. Haben Sie das schon mal gemacht?«
    »Ja.«
    »Dann wissen Sie ja, dass diese Dinger, selbst wenn man das Gefühl hat, sie kippen um, es wahrscheinlich nicht tun. Wenn Sie schneller fahren wollen, behalten Sie einfach diesen Rhythmus bei - eine Hand über der anderen. Und lassen Sie das Paddel nicht los. Es wird an der Oberfläche bleiben, aber es könnte sich aus dem Staub machen, und wenn es das tut, muss ich Sie dafür bezahlen lassen.«
    Wir schleppten das Kajak zum Rand des Wassers, dann ließ er es ins Meer gleiten und hielt es fest, während ich hineinkletterte.
    »Gehen Sie ran, Mann«, sagte er, als er mich anschob. »Wenn Sie richtige Muschis zu sehen bekommen, will ich davon hören.«

27
    Der ruhige Ozean verhieß breite Untiefen, und ich musste einen Sieben-Meter-Abstand vom Ufer halten, damit das Kajak nicht auf Sand auflief. Während ich durch das Wasser schnitt, wusch eine schwache, dunstige Brise mein Gesicht. Nach dem schwerfälligen Lauf an diesem Morgen fühlte es sich gut an, mit den Armen zu arbeiten, und allein auf der Weite des Meeres zu