Fleisch und Blut
haben Laurens Namen durch den Computer laufen lassen.« Er hustete. »Sie ist vorbestraft, Alex. Sie haben die Mutter noch nicht informiert. Vielleicht sollte das auch so bleiben.«
»Was für eine Vorstrafe?«, fragte ich.
»Prostitution.«
Ich schwieg.
Er sagte: »Das ist alles, bis jetzt.«
»Hat das Einfluss auf die Entscheidung, ob tatsächlich jemand nach ihr sucht?«
»Die Sache ist die, Alex, es gibt keinen Anhaltspunkt. Sie haben die Mutter nach irgendwelchen Bekannten gefragt, aber sie konnte keine Namen beisteuern. Die Kollegen von der Vermisstenstelle haben den Eindruck, dass Mama nicht eingeweiht ist, was Laurens Privatleben betrifft. Und vielleicht ist es gar nicht so abwegig, dass Lauren auf Reisen ist. Sie ist nicht nur hier aufgegriffen worden, sondern auch in Nevada.«
»In Las Vegas?«
»In Reno. Viele Mädchen arbeiten auf dieser Route, buchen einen Billigflug, halten sich dort ein, zwei Tage auf, um abzukassieren. Also ist ihr Verschwinden ohne Erklärung vielleicht nur ein Teil ihres Lebensstils. Ob sie nun Studentin ist oder nicht.«
»Sie ist seit einer Woche verschwunden«, sagte ich. »Nicht gerade ein Kurzaufenthalt.«
»Also ist sie geblieben, um ihr Glück im Casino zu versuchen. Oder hat einen lukrativen Job erwischt, den sie noch eine Weile melken möchte. Das Problem ist, wir reden hier nicht von einer Sonntagsschülerin, die den Bus nach Hause verpasst hat.«
»Wann ist sie das letzte Mal festgenommen worden?«
»Vor vier Jahren.«
»Hier oder in Nevada?«
»Im guten alten Beverly Hills. Sie war eins von Gretchen Stengels Mädchen, wurde im Beverly-Monarch-Hotel erwischt.«
Dort hatte Phil Harnsbergers Junggesellenparty stattgefunden. Die vanillefarbene Rokokofassade des Hotels tauchte vor meinem geistigen Auge auf.
Trinkgeld. Ich mache jede Menge Trinkgeld.
»In welchem Monat vor vier Jahren?«, fragte ich.
»Was spielt das für eine Rolle?«
»Ich hab sie das letzte Mal vor vier Jahren gesehen. Im November.«
»Einen Moment, lass mich nachsehen ... am neunzehnten Dezember.«
»Gretchen Stengel«, sagte ich.
»Die Westside-Madame höchstpersönlich. Wenigstens hat sie nicht auf der Straße angeschafft, um sich Crack kaufen zu können.«
Ich packte das Telefon so fest, dass meine Finger wehtaten. »Gibt es irgendeinen Hinweis darauf, dass sie drogensüchtig war?«
»Nein, nur die Festnahme wegen Prostitution. Aber Gretchens Mädchen haben gern hingelangt beim Feiern - sieh mal, Alex, du weißt, dass ich nicht dazu neige, Urteile über das Sexualverhalten anderer zu fällen, und ich habe auch wenig gegen Drogen, wenn sie nicht dazu führen, dass jemand umgebracht wird. Aber die Tatsache, dass Lauren anschaffen geht, muss hier in Betracht gezogen werden. Höchstwahrscheinlich hat sie einen Job angenommen, und ihr Mitbewohner deckt sie Mom gegenüber. Es gibt keinen Grund, in Panik zu verfallen.«
»Du hast vermutlich Recht«, sagte ich. »Mom ist vielleicht nicht auf dem Laufenden. Obwohl sie nicht völlig ahnungslos ist - sie hat mir erzählt, dass Lauren eine harte Zeit durchgemacht hat, und ihre Stimme klang angespannt, als sie das sagte. Und wenn die letzte Festnahme vier Jahre zurückliegt, hat Lauren vielleicht tatsächlich eine Kehrtwendung gemacht. Sie hat sich an der Uni eingeschrieben.«
»Das könnte sein.«
»Ich weiß, ich weiß - reiner Zweckoptimismus.«
»Hey, das verleiht dir diesen jungenhaften Charme ... Du hast sie vor vier Jahren behandelt?«
»Vor zehn. Ich hab sie einmal vor vier Jahren gesehen. Nachuntersuchung.«
»Ah«, sagte er. »Zehn Jahre ist eine lange Zeit.«
»Eine verdammte Ewigkeit.«
Lange Pause. »Du klingst immer noch ... fürsorglich.«
»Ich tue nur meinen Job.« Ich war überrascht über den Zorn in meiner Stimme. Ich dankte ihm für seine Mühe, um einer weiteren Diskussion aus dem Weg zu gehen.
Er sagte: »Der Kollege von der Vermisstenstelle will ein paar Krankenhäuser anrufen.«
»Auch Leichenschauhäuser?«, fragte ich.
»Das auch. Alex, ich weiß, dass das Mädchen vorbestraft ist, wolltest du nicht hören, aber in diesem Fall rückt es die Dinge vielleicht in ein positiveres Licht - sie hatte ihre Gründe dafür, ohne Erklärung abzuhauen. Am besten rätst du Mom, einfach zu warten. In neun von zehn Fällen taucht der Betreffende wieder auf.«
»Und falls nicht, ist es ohnehin zu spät, irgendwas zu unternehmen.«
Er antwortete nicht.
»Tut mir Leid«, sagte ich. »Du hast mehr getan, als du hättest
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