Fleisch und Blut
nie angemacht. Was für mich eine echte Abwechslung ist, wissen Sie?« Sie drückte meinen Daumen zusammen.
»Jede Wette«, sagte ich, und sie grinste.
»Zunächst dachte ich, er wartet nur auf den richtigen Zeitpunkt, aber dann konnte ich sehen, dass er einfach nicht interessiert ist, also hab ich allmählich angenommen, er ist schwul. Was prima war, ich mag schwule Typen - ich meine, ich war nicht enttäuscht oder irgendwas in der Art. So bin ich einfach nicht.«
Plötzlich war ihre Stimme härter geworden, als hätte ich ihr irgendeinen Vorwurf gemacht. Ihr Fingernagel grub sich in meinen Daumen, und ich entzog ihn ihr sanft.
»Männer machen sich an Sie ran, obwohl Sie sie nicht ermutigen«, sagte ich.
»Genau. Sie hören zu, nicht wahr? Ich meine richtig zuhören.«
»An guten Tagen.«
»Er ist auch so - Ben. Ein guter Zuhörer. Jedenfalls habe ich einen Monat an diesem Experiment teilgenommen, und schließlich lud er mich doch zum Essen ein. Aber nicht als Anmache. Eher wie ein Vater mit seiner Tochter, er war freundlich, wollte wissen, wie mir der Job gefällt. Er hat mich ins Ivy am Shore eingeladen. Er war ein perfekter Gentleman, wollte mich kennen lernen, wie ich wirklich bin, und wir haben uns richtig gut amüsiert, obwohl ich nicht spürte, dass irgendein - Sie wissen schon - Funke übersprang. Und dann - und jetzt kommt der Karma-Teil - gehen wir raus, um in seinen Wagen zu steigen, warten darauf, dass er vorgefahren wird, und da kommt dieser andere Wagen an. Dieser herrliche kastanienbraune Bentley Azure, und ein anderer Typ steigt aus - älter, wirklich gut angezogen, wirklich gepflegt -, aber ich gucke hauptsächlich auf den Wagen, denn wie viele von denen bekommt man noch zu sehen - mit Chauffeur, Chromfelgen, einer Million Schichten Lack. Aber Ben starrt auf den Typ, der aussteigt. Er kennt ihn. Und der andere Typ kennt Ben auch - die beiden umarmen und küssen sich, und ich denke, ich hatte Recht, er ist tatsächlich schwul. Dann sagt Ben, Cheryl, das ist mein Vater Tony, und der andere Typ verbeugt sich und küsst meine Hand und sagt: ›Ich bin entzückt, Cheryl. Mein Name ist Marc Anthony Duke‹ - und ich war schockiert. Denn nachdem ich den Namen gehört hatte, hab ich ihn natürlich mit dem Gesicht in Verbindung gebracht, aber man erwartet nicht, dass jemand wie Tony jemanden wie Ben kennt, geschweige denn, dass er sein Dad ist. Ben trägt nicht mal den
Namen Duke - er benutzt den richtigen Familiennamen. Und er ist Tony absolut nicht ähnlich - und ich meine absolut. Es gibt keine zwei Männer, die unterschiedlicher sind.«
Sie machte eine Pause, um zu Atem zu kommen. Leckte sich über die Lippen, reckte die Schultern und streckte die Brust heraus. »So hab ich jedenfalls Tony kennen gelernt, und ich muss ihn beeindruckt haben, weil er mich am nächsten Tag anrief. Er sagte, er hätte Bens Erlaubnis eingeholt - was eine echte Abwechslung war, stimmt's? So süß. Er lud mich ein, und bevor ich wusste, wie mir geschah, flogen wir nach Acapulco, und der Rest ist Geschichte, wie man sagt. Er hat mich regelrecht umgehauen.«
»Wow«, sagte ich.
»Wow, allerdings«, sagte sie. »Jetzt sagen Sie mir mal etwas, und seien Sie ehrlich, okay?«
»Okay.«
»Ich wette, als ich Ihnen erzählte, dass ich mit Tony verheiratet war, haben Sie gedacht, ich hätte für ihn posiert und das wäre die Gelegenheit gewesen, bei der er mich entdeckt hat, stimmt's? Haben Sie gedacht, ich wäre ein Darling des Monats?«
»Nicht wirklich -«
»O doch, das haben Sie«, insistierte sie und schlug mir aufs Handgelenk. »Jeder nimmt das an. Und das ist okay. Aber Tony hat mir immer gesagt, ich wäre sein besonderer Darling. Wussten Sie, dass ich die erste Frau bin, mit der er Kinder gehabt hat, seit Bens und Anitas Mutter gestorben ist? Und ich hab ihm wunderschöne Kinder geschenkt.«
»Sie sind hinreißend.«
Ihre Finger bewegten sich im Spinnengang zu meinem Handgelenk. »Sie sind sehr nett - also, wie haben Sie Ihr Geld angelegt?«
»Mir gehören einige Immobilien.«
»Klingt Gewinn bringend.«
»Ich komme zurecht.«
»Hübsch«, sagte sie. »Gut für Sie. Dass Sie Zeit haben, sich herumzutreiben. Aber Sie sind ein Intellektueller, das kann ich sehen. Ich habe ein Gespür für Menschen. Was tun Sie also außer Paddelboot fahren, um sich zu amüsieren?«
»Ein bisschen Gitarre spielen.«
»Ich liebe Musik - Tony hat kein Ohr dafür, aber er gibt vor, Musik zu mögen. Für Partys, wissen Sie? Er
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