Fleisch und Blut
erzählt, sie arbeite an einem Forschungsprojekt.«
»Oh.« Sie blinzelte erneut. »Nun, ja, mir hat sie nie davon erzählt.«
»Überhaupt nichts in dieser Richtung?«
»Nee, ich glaube nicht.« Sie ließ die Zigarette auf den Boden fallen und trat sie aus, wodurch sie dem Linoleum eine rauchende schwarze Wunde zufügte; dann streckte sie die Hand aus. »Ich tue für Sie, was ich kann, wie war's, wenn Sie auch was für mich täten, mein Schöner?«
Milo zog seine Brieftasche heraus und gab ihr zwei Zwanziger.
Sie rieb die Scheine zwischen ihren Fingern gegeneinander. »Früher hab ich viel weniger für viel mehr Geld getan, aber das hier ist nicht schlecht - Sie sind ein feiner Kerl.«
»Sie hat nichts von einem Job gesagt, hmm?«
»Nichts ... ich werde allmählich müde.«
Milo gab ihr noch einen Zwanziger. Sie strich mit der Kante des Geldscheins leicht über den Unterleib des Hundes.
»Das Geld, das Lauren gespart hat«, sagte Milo. »Stammte das alles von ihrer Arbeit für Gretchen?«
»Wahrscheinlich. Wie ich sagte, sie konnte sparen. Sobald wir anderen einen Dollar in den Fingern hatten, war er praktisch schon verschwunden, aber Lauren war eher ein Typ wie Dagobert und hat jeden Dollar gezählt.«
Milo sah mich an.
Ich fragte: »Hat Lauren über ihre Familie geredet?«
»Anfangs schon, aber dann hörte sie auf damit. Ihren Vater hat sie gehasst, über ihn wollte sie kein Wort sagen. Ihre Mom bezeichnete sie als schwach, aber okay. Sie hätte einen alten Typ geheiratet und wohne in einem schönen Haus. Lauren war glücklich für sie, meinte, sie hätte viel Scheiße gebaut, wäre aber schließlich auf einem grünen Zweig gelandet.«
»Inwiefern Scheiße gebaut?«, fragte ich.
»Was ihr Leben betraf, schätze ich. Wie jeder andere auch.«
»Hat sie je davon gesprochen, dass ihre Mutter sie zu kontrollieren versucht?«
Sie brachte eine weitere Zigarette zum Vorschein. Wartete darauf, dass Milo ihr Feuer gab.
»Soweit ich mich erinnere, nicht - was sie von ihrer Mutter erzählte, klang eher nach einem Weichei, nicht nach einem Biest.« Sie führte die Zigarette zum Mund, inhalierte, hielt den Atem an. Als sie den Mund wieder aufmachte, kam kein Rauch heraus.
»Ihren Vater hat sie also gehasst«, sagte ich.
»Er hat sie verlassen, irgendeine blöde Kuh geheiratet, noch zwei Kinder bekommen. Sie sagte, die Kinder wären süß, aber sie wüsste nicht, ob sie den Kontakt aufrechterhalten würde, weil ihr Vater ein Arschloch wäre und die Kuh blöd, und sie wüsste nicht, ob sie Zeit darin investieren wolle. So hat sie immer geredet. Alles war eine Investition - dein Gesicht, dein Körper, dein Verstand. Man musste es in Gedanken so behandeln wie Geld auf der Bank, nichts umsonst preisgeben.«
Noch ein tiefer Zug. Sie hustete. Rauchte rasch, ließ die Zigarette fast bis zum Filter verglimmen. »Sie war klug, Lauren meine ich. Sie sollte nicht tot sein. Bei jedem anderen wäre es kein Verlust, bei ihr schon.«
»Bei jedem anderen?«, fragte ich.
»Weltweit. Derjenige, der sie umgebracht hat, sollte in der Hölle braten und dann von Ratten gefressen werden.« Ein schiefes Lächeln. »Vielleicht bin ich dann schon dort unten und kann die Ratten trainieren.«
»Eine Pistole und ein Computer«, sagte ich, als wir das Haus verließen. Die zornigen jungen Männer zwei Häuser weiter waren nicht fröhlicher geworden, und dieses Mal starrte Milo sie an, bis sie sich abwandten. »Wie Michelle sagte, nicht gerade Unterrichtsmaterial.«
»Lauren hat Michelle erzählt, sie wäre nicht mehr in der Szene, ist aber drin geblieben«, sagte er. »Niemand sagt von ihr, sie sei schreckhaft oder ängstlich gewesen. Weder Andy, noch Michelle, noch ihre Mutter. Also sollte die Pistole vielleicht das beschützen, was im Computer war.«
»Daten«, sagte ich. »Geheimnisse. Und noch etwas: Trotz der Pistole und Laurens Abgebrühtheit hat jemand es geschafft, sie zu fesseln und in den Kopf zu schießen. Viel- leicht hat sie der Mörder unvorbereitet erwischt, weil es jemand war, von dem sie nie erwartet hätte, dass er ihr etwas antut. Jemand, den sie kannte und dem sie vertraute. Ein fester Kunde mit viel Kohle beispielsweise, der jahrelang großzügig zu ihr war. Nicht Erpressung - Lohn für erwiesene Dienste. Aber dann beschloss der Kunde, die Beziehung zu beenden, sah ein, dass es ein Potenzial für Erpressung gab, und ergriff Vorsichtsmaßnahmen.«
Wir stiegen in den Wagen. Er saß hinter dem Lenkrad und
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