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Fleisch und Blut

Fleisch und Blut

Titel: Fleisch und Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Streichholzheftchen und noch mehr Hundekot übersät war, und einem ähnlich geschmückten Redwood-Beistelltisch, der als Gartenmöbel gedacht war.
    Michelle stand da, beobachtete uns und spielte mit dem Gürtel ihres Hausmantels. »Setzen Sie sich doch.«
    »Ich hab den ganzen Tag gesessen, danke. Erzählen Sie mir von Lauren.«
    Michelle setzte sich hin und nahm den Hund auf den Schoß. Er blieb still sitzen, war aber auf der Hut, während sie an seinem Ohr zupfte. Als sie ihren Zeigefinger ausstreckte, leckte der Hund daran. »Sie haben mich gerade unglaublich deprimiert.«
    »Das tut mir Leid«, sagte Milo.
    »Klar tut es das.« Sie griff um den Hund herum und schlug gegen ihren leeren Ärmel. »Ich sehe wie ein Pirat aus, sehen Sie? Captain Hook. Nur hab ich keinen Haken.«
    Sie streichelte lange Zeit den Hund. »Eine Infektion - nicht Aids. Fürs Protokoll.«
    »Vor kurzem?«, fragte ich. Es war ein Reflex. Eine Sekunde lang hatte ich den Eindruck, eine Patientin vor mir zu haben. Falls Milo sich durch meine Einmischung gestört fühlte, gab er es nicht zu erkennen.
    Michelle sagte: »Vor zwei Jahren. Eine dieser fleischfressenden Bakterien. Sie haben gesagt, ich hätte sterben können.« Unmerkliches Lächeln. »War vielleicht besser gewesen. Der Typ, mit dem ich damals zusammenlebte, wollte mich nicht ins Krankenhaus bringen. Er hat immer wieder gesagt, es wäre nur ein Moskitostich oder so was. Sogar als die Infektion begann, meinen Arm hochzuwandern. Dann schwoll mein halber Körper an wie ein Ballon, und alles begann einfach zu faulen, und er haute ab, ließ mich allein. Als sie endlich zu mir kamen - Mann, ich hatte das Gefühl, ich würde mich auflösen. Und es hat vielleicht wehgetan.«
    »Das tut mir Leid«, sagte Milo. »Ehrlich.«
    »Ja, klar - und jetzt erzählen Sie mir das von Lauren ... Ich kann es einfach nicht glauben.«
    »Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen, Michelle?«
    Sie wandte den Blick zur Decke. »Vor einem Jahr - nein, danach. Später - sechs Monate? Vielleicht waren es fünf, ja, ich glaube, es war vor fünf Monaten. Sie ist vorbeigekommen und hat mir Geld gegeben.«
    »Kam das regelmäßig vor?«
    »Nicht regelmäßig, aber ab und zu. Sie brachte mir was zum Essen und andere Sachen. Besonders nachdem ich aus dem Krankenhaus raus war. Als ich im Krankenhaus war, war sie die Einzige, die mich besucht hat. Und jetzt ist sie tot - warum zum Teufel hat Gott sich die Mühe gemacht, diese verkorkste Welt zu erschaffen? Was ist er, eine Art beschissener Sadist?« Sie ließ den Kopf sinken und fuhr sich mit der Hand durchs Haar, zog an schwarzen Strähnen und murmelte: »Spliss, billiges Scheißshampoo.«
    »Vor fünf Monaten«, sagte Milo. »Wie ging es Lauren?«
    Sie hob den Kopf. »Ihr? Ihr ging's prima.«
    »Wie viel Geld hat sie Ihnen gegeben?«
    »Siebenhundert Dollar.«
    »Großzügig.«
    »Sie und ich, wir kennen uns schon lange - kannten uns schon lange.« Ihre Augen blitzten, und sie streichelte den Hund schneller. »Am Anfang hab ich ihr geholfen - hab ihr beigebracht, wie man tanzt. Am Anfang hat sie getanzt wie ein weißes Mädchen. Ich hab ihr alle möglichen Sachen beigebracht.«
    »Was zum Beispiel?«
    »Wie man mit der Realität fertig wird. Die richtige Einstellung entwickeln. Die Technik.« Lächelnd zeichnete sie mit dem Finger die Konturen ihrer Lippen nach. »Sie war klug, sie lernte schnell. War auch klug in Geldangelegenheiten. Hat immer möglichst viel gespart. Wenn ich Geld habe, zerrinnt es mir zwischen den Fingern; ich bin extrem verkorkst - und Sie werden von mir nicht hören, dass ich die Bakterien dafür verantwortlich mache - auch wenn die wirklich fast mein Leben versaut hätten -, weil ich schon vorher verkorkst war.« Sie hob den Ärmel und ließ ihn wieder fallen. »Ein Krüppel zu werden hat mein Selbstbild nicht gerade verbessert, aber ich komme zurecht. Man kann immer einen Typ finden, der darauf abfährt... Als wenn ich mit jemandem spräche, für den das eine Rolle spielt.«
    Sie griff in eine Tasche des Hausmantels und zog eine Zigarette hervor. Kein Päckchen, nur eine lose Zigarette; das machte es für den einen Arm leichter. Milo war rasch zur Stelle, um ihr Feuer zu geben.
    »Ein Gentleman.« Sie inhalierte. »Also, wer hat Lauren umgelegt?«
    »Das ist die große Frage, Michelle.«
    Die braunen Augen verengten sich. »Sie wissen es wirklich nicht?«
    »Aus diesem Grund sind wir hier.«
    »Oh«, sagte sie. »Und ich habe mir eingebildet,

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