Fleisch und Blut
starrte das Armaturenbrett an.
»Nach allem, was wir wissen«, sagte ich, »wurde Lauren mit ihrer eigenen Waffe erschossen. Michelle sagte, ein kleines silbernes Schießeisen. Es sind viele kleine Neun-Millimeter-Pistolen im Umlauf. Jemand, dem sie vertraute und den sie nahe genug an ihre Handtasche ranließ.«
Immer noch keine Antwort.
»Vielleicht überinterpretiere ich das«, fuhr ich fort, »aber du weißt, dass wir immer davon reden, wie verräterisch die Augen sind - dass Leute den Blick abwenden, wenn sie lügen oder mit bestimmten Dingen hinterm Berg halten. Michelle begann zu blinzeln und zu zappeln, als das Gespräch auf Professoren kam.«
»Yeah, das ist mir aufgefallen. Als sie darüber sprach, wie gern Lauren mit intellektuellem zusammen ist. Also hat Lauren ihr vielleicht von einem reichen Freier mit einem Dr. phil. erzählt... Und warum sollte Michelle das nicht sagen?«
»Vielleicht wittert sie eine Gelegenheit, davon zu profitieren?«
»Einen Mörder erpressen?«, sagte er. »Nicht besonders klug.«
»Michelles Urteilsvermögen ist nicht gerade das beste. Und Laurens Tod bedeutet, dass kein Geld mehr unter der Tür durchgeschoben wird.«
Er sah zu dem pfirsichfarbenen Haus hoch. »Oder vielleicht ist sie daran gewöhnt, bestimmte Dinge für sich zu behalten. Für Huren ist das ein Satz ihres Glaubensbekenntnisses ... Ich versuch's in ein paar Tagen noch mal bei ihr, sehe zu, ob ich den Namen eines reichen Intellektuellen aus ihr rausholen kann.«
»Ben Duggers Lebenslauf, die Leichtigkeit, mit der er auf einmal als Inhaber seiner eigenen Gesellschaft firmierte, mit Niederlassungen in Newport Beach und Brentwood - riecht nach Geld. Und diese Lücken in seiner Ausbildung sind nicht uninteressant.«
»Ein Volvo und ein abgetragenes Hemd sprechen für einen Freier, der das große Geld hat?«
»Vielleicht ist er selektiv darin, wofür er es ausgibt. Lauren hat sich seine Nummer notiert. Und Monique Lindquists Bemerkung darüber, dass er nicht über Sex spricht, stimmt mich nachdenklich. In seinem Bürogebäude war er während der Fahrt mit dem Aufzug bester Laune. Er summte. Ging mit federndem Schritt und genoss sein Mittagessen im Park. Also weiß er entweder nicht, dass Lauren tot ist, oder es ist ihm egal. Vielleicht hat es keine hohe Priorität, aber irgendwann zwischendurch würde ich ihn mir gern genauer ansehen.«
»Hohe Priorität«, sagte er. »Im Moment habe ich keine andere Spur.« Er tippte in sein MDT. »Mal sehen, was unsere Computer über diesen Intellektuellen zu bieten haben.«
15
Das Strafregister hatte nichts über Benjamin Dugger zu bieten. Die Zulassungsbehörde spuckte seine Adresse aus.
Am Strand. Ein eisiges weißes Hochhaus an der Ocean Avenue in Santa Monica, einer dieser nüchternen Kästen, die man in den Fünfziger jähren hochgezogen und mit Rentnern in bescheidenen Einkommensverhältnissen gefüllt hatte, bis jemand sich ausrechnete, dass atemberaubende Panoramen des Pazifiks und saubere Luft gar nicht so schlecht waren. Inzwischen kosteten die kleinsten Apartments eine halbe Million.
Das Upgrading der Neunziger umfasste einen neuen Anstrich und neue Fenster, aus der Wüste umgepflanzte Palmen und einen Sicherheitsdienst bei verschlossener Tür. Wir standen vor dem Eingang. Milo hatte bislang drei Mal auf die Klingel gedrückt.
Er spähte durch die Tür. »Der Portier sitzt an seinem Platz, plappert mit einer Frau und tut so, als sähe und höre er nichts.« Er fluchte. »Lieber habe ich jeden Tag mit Nutten zu tun als mit kleinen Bürokraten.«
Die Fahrt von Echo Park nach Santa Monica quer durch die City war wegen des Berufsverkehrs nur im Schneckentempo möglich gewesen, und es war fast fünf Uhr. Auf der Ocean Avenue wimmelte es von Touristen, und die Restaurants in einer Bandbreite von schnellem Fett bis Haute Cuisine, wo man an der Bar auf seinen Tisch wartete, waren gerammelt voll. Auf der anderen Straßenseite markierten salzverkrustete Planken und ein fröhlicher weißer Bogen den Eingang zum Santa Monica Pier, der vor kurzem restauriert worden war. Das Riesenrad stand immer noch still. Die abendliche Beleuchtung wurde allmählich eingeschaltet. Alte Asiaten mit Angelruten verließen den Kai, und Händchen haltende Teenager betraten ihn. Der Ozean wirkte in der Abenddämmerung wie poliertes Silber.
Nur eine kurze Fahrt die Küste hoch lag Malibu, wohin Lauren angeblich zur Erholung geflohen war. Wo sie ein Münztelefon an der Kanan-Dume angerufen
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