Fleisch
verstehen?“, fragte sie langsam und betonte jedes Wort. „Blinzle zwei Mal, wenn du es kannst.“
Nichts.
Nur dieses glasige Starren aus weit geöffneten Augen.
Dann, ganz plötzlich, schlossen sich seine Augenlider und hoben sich wieder. Sie schlossen sich erneut, und die Anstrengung, die ihn dies kostete, schien so groß, dass sie einem Moment länger unten blieben. Dann hoben sie sich wieder.
Maggies Herz pochte erneut in ihrer Brust, und in die Erleichterung mischte sich eine neue Sorge. Er war bei Bewusstsein, und er hatte Schmerzen.
„Ich heiße Maggie“, sagte sie. Etwas anderes war ihr nichteingefallen, und es schien sinnvoll, sich vorzustellen und ihm damit etwas zu geben, woran er sich festhalten konnte. „Ich werde dir helfen.“
„Dadada …“, brabbelte er, aber dieses Mal schien er aus Frustration abzubrechen. Seine Gesichts- und Halsmuskeln waren angespannt, sein Kiefer war zusammengepresst.
Doch Maggie bemerkte, dass sich ansonsten nichts an ihm bewegte. Seine Finger beugten sich nicht, seine Beine rührten sich nicht, obwohl sie verdreht unter ihm lagen. Er versuchte mit keinem seiner Körperteile, gegen die Einzwängung durch den Stacheldraht anzukämpfen oder sich auszustrecken.
Sie ließ ihre Blicke erneut über ihn wandern – auf der Suche nach irgendetwas, das dem elektrischen Draht auf dem Zaun ähnelte, durch den Donny und sie gestiegen waren. Und sie suchte nach Brandwunden. Nichts, soweit sie feststellen konnte. Dennoch schienen der Geruch nach versengtem Haar und verbranntem Fleisch und die offenbare Lähmung ihren Verdacht zu bestätigen. Der Junge stand nicht einfach nur unter Schock. Er hatte einen Elektroschock bekommen.
8. KAPITEL
Phil’s Diner
Williamsburg, Virginia
Colonel Benjamin Platt bestellte einen Cheeseburger. Er ignorierte die hochgezogene Augenbraue und den missbilligenden Blick der ranghöchsten, ältesten Kellnerin des Restaurants. Nur um zu sehen, wie weit er es treiben konnte, bestellte er noch Senf und eine Extraportion Zwiebeln. Die Kellnerin hieß Rita und kannte Platt seit seinen Tagen als Medizinstudent am William & Mary College, als er die Nächte durchgemacht hatte, über seine Fachbücher gebeugt und lauwarmen Kaffee in sich hineinschüttend.
Damals hatten ihm seine großspurigen, aber plumpen Versuche, mit ihr zu flirten, hin und wieder ein Stück trockenen Kuchen eingebracht. Platt konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann sie aufgehört hatten, so zu tun, als könne sie seine ältere Geliebte sein. Stattdessen wurde sie zu einer Art Ersatzmutter, die auf sein Sodbrennen aufpasste und darauf, dass seine Arterien nicht verkalkten.
„Warum kommst du denn mitten unter der Woche?“, fragte Rita, als sie ihm einen Kaffee einschenkte, ohne hinzuschauen. Sie sah ihm in die Augen, als könne sie an einem Blinzeln zu viel auf seinen emotionalen Zustand schließen. Das Komische war, sie konnte es tatsächlich. Und was noch Schlimmer war: Sie wusste faszinierenderweise immer, wann sie aufhören musste, einzuschenken, nämlich genau dann, wenn der kochend heiße Kaffee zwei Zentimeter unter dem Rand der Tasse stand.
„Ich treffe mich hier mit jemandem“, sagte er. Zurzeit kam er kaum noch in das Diner , außer wenn er seine Eltern besuchte. Der heutige Abend war eine Ausnahme.
Wieder zog sie die Augenbraue hoch.
„Nein, nicht so jemanden.“ Er musste grinsen.
„Das will ich auch hoffen, mit deiner Extraportion Zwiebeln.“
Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging davon, und er hätte wetten können, dass sie die Hüften etwas mehr schwingen ließ als vorher, als sie an seinen Tisch gekommen war.
Er lächelte erneut. Bei ihr kam er sich immer noch wie der unsichere Student von damals vor. Und es machte die Sache auch nicht besser, dass er Jeans anhatte und ein ausgeblichenes graues „William & Mary“-Sweatshirt und an den Füßen Ledermokassins ohne Socken trug. Er fuhr mit den Fingern durch sein kurzes Haar und stellte fest, dass der Wind es in Unordnung gebracht hatte. Als er in der Fensterscheibe sein Spiegelbild betrachtete, sah er, dass Roger Bix aus einem gemieteten Ford Escort stieg. Platt kannte ihn nicht gut, aber gut genug, um zu wissen, dass er wohl lieber etwas Größeres gefahren wäre.
In dem hellen Neonlicht des Diners wirkte Roger Bix’ wirrer Haarschopf leuchtend orange. Platt musste an Archie denken, die Comicfigur – nur dass Bix eine aufgeblasene Version von ihm war und sich gar nicht bewusst, dass sein
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