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Fleisch

Fleisch

Titel: Fleisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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Maggie hätte schwören können, sie hätte oben auf dem Höhenrücken einen gesehen, der sie beobachtete. Das Licht schien allem – sogar Dingen – Leben einzuhauchen; Äste, die sich im Wind bewegt hatten, sahen nun plötzlich aus wie Arme eines Skeletts, die auf sie herabschlugen.
    Maggie betrachtete, wie Hank und einer der Sanitäter den stacheldrahtumwickelten Jungen vorsichtig auf eine Trage legten, die sie aus einer Plane gefertigt hatten. Statt ihn den Pfad hinaufzutragen, hatten sie ein Loch in den Zaun geschnitten. Sie würden ihn mit einem Quad über die Sandhügel transportieren und zu einem Rettungswagen bringen, der auf sie wartete. Er war so weit wie möglich an sie herangefahren, und man konnte gerade noch seine Scheinwerfer sehen.
    Maggie begleitete sie auf einem engen Pfad an Baumstümpfen vorbei und tat so, als würde sie eine Ecke der Plane halten. Sie wusste, dass die beiden Männer die Trage problemlos allein hätten nehmen können, aber sie wollte die Verbindung zu dem Jungen nicht abreißen lassen. Vorhin hatte sie einmal sein Sichtfeld verlassen, und sofort war sein Blick hektisch hin und her geirrt und hatte sie gesucht. Aber der Sanitäter hatte ihm ein Beruhigungsmittel injiziert, und nun schloss er endlich seine Augen. Sie begleitete sie noch bis dahin, wo das Schilfgras höher wurde als sie selbst. Dort wartete das Quad. Eine kurze Fahrt, und der Junge würde in Sicherheit sein.
    Sie eilte zurück und begann, Donny zu helfen, die nächsten Verwundeten für den Abtransport vorzubereiten, als sie einen Mann sah, der oben auf dem Sandhügel erschien. Von den Lichtern des Rettungswagens hinter ihm beleuchtet, wirkte er überlebensgroß.
    Maggie warf Donny einen Blick zu. Er hatte ihn auch gesehen.
    „Der Sheriff?“, fragte sie.
    „Wahrscheinlich.“
    Innerhalb weniger Sekunden erschien eine weitere Gestalt auf dem Hügel. Dann noch eine. Zwei weitere. Und wieder eine.
    „Die wissen doch sicherlich, dass es sich hierbei um einen Tatort handelt, oder?“
    Als Donny nichts erwiderte, sah sie ihn an. Er starrte so regungslos in die Ferne wie ein Reh in Autoscheinwerfer.
    Sie zählte sechs Männer. Einer kam den Hügel herab auf sie zu.
    „Wir dürfen nicht allzu viele Leute in die nähere Umgebung lassen“, sagte Maggie. „Sie haben gesagt, dass die Verletzungen nicht lebensgefährlich sind, richtig?“
    „Ja, das stimmt. Die Leute von der Rettungsstaffel wissen, dass wir sie zu ihnen hinausbringen. Sie sind darauf vorbereitet, sie sofort zu behandeln.“
    „Wer sind dann diese Kerle?“
    Nun folgten auch die anderen dem ersten.
    „Donny?“
    „Könnte der Bürgermeister sein. Stadträte. Vielleicht Eltern. Wir haben hier zwei tote Jugendliche und fünf verletzte. Sie wollen sicher wissen, ob es sich um ihre Kinder handelt.“
    „Sie können nicht zulassen, dass sie einen Tatort zertrampeln!“
    „Ich kann nichts dagegen tun.“
    „Wie bitte?“
    „Diese Gegend fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.“
    „In deren aber auch nicht.“
    Sekunden verstrichen. Die Männer kamen hintereinanderden sandigen Weg hinunter, wo zuvor das Quad gefahren war. Die ersten hatten schon beinahe das Schilfgras erreicht. Im Schatten des Flutlichts sahen sie aus wie eine lächerliche Prozession. Ihre Köpfe schienen über dem Gras zu tanzen: einer mit einem Cowboyhut, zwei mit Baseballkappen, die anderen ohne Kopfbedeckung. Einer hatte eine struppige Mähne.
    Maggie stand auf. Donny blieb auf seinen Fersen hocken. Sie warf ihm einen Blick zu, in der Hoffnung, dass er sich dann bewegen würde. Stattdessen starrte er weiter auf die herankommenden Männer. Der Riese schien das Unausweichliche zu akzeptieren, stumm, beinahe eingeschüchtert.
    Dann hörte sie ihn flüstern: „Das Land gehört dem Staat.“
    „Also ist Hank dafür zuständig?“
    Er schüttelte den Kopf.
    „Das FBI schlägt die Forstbehörde.“
    Maggies Puls begann zu rasen. Sie spürte wieder das klamme Frösteln. Er hatte recht. Warum hatte sie selbst nicht daran gedacht? Sie war die einzige bundesstaatliche Ermittlerin an einem Tatort, der auf bundesstaatlichem Land lag. Mist! Damit war sie offiziell zuständig.
    Sie nahm sich nicht die Zeit, länger darüber nachzudenken. Stattdessen ging sie los, um der Gruppe, die sich genähert hatte und nun beinahe am äußersten Rand des Lichtscheins stand, entgegenzutreten.
    „Meine Herren, weiter können Sie leider nicht gehen!“
    „Wer, zum Teufel, sind Sie denn?“
    Maggie

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