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Fleisch

Fleisch

Titel: Fleisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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hatte.
    Sie aßen nicht einmal mehr gemeinsam zu Abend, geschweige denn dass sie sich miteinander unterhielten – es sei denn, sein Dad hielt es mal wieder für nötig, Dawson zu sagen, wie enttäuscht er von ihm war. Dawson vermutete, dass es jetzt wieder an der Zeit dafür war, zumal sein Vater die Nacht auf dem Besucherstuhl verbracht hatte.
    „Was ist passiert?“, fragte Dawson in der Hoffnung, der Standpauke zuvorzukommen.
    „Kannst du dich nicht daran erinnern?“
    Er starrte seinen Dad an und fragte sich, ob er ihm überhaupt glauben würde. Ein Wesen mit roten Augen, aus dessen Armen elektrische Funken schossen? Sein Vater schrieb seinen verwirrten Gesichtsausdruck anscheinend einem Gedächtnisverlust zu.
    „Der Arzt hat schon gesagt, dass du dich vielleicht nicht daran erinnerst. Du hast einen Stromschlag bekommen. Er meint, er wäre stark genug gewesen, um dich in den Stacheldrahtzaun zu schleudern. Er war überall um deinen Körper gewickelt. Kannst du dich nicht daran erinnern?“
    Dawson antwortete nicht. Sein Vater war aufgestanden. Er war nicht besonders groß, aber vom Bett aus kam er Dawson vor wie ein Riese. Dann sagte sein Vater etwas vollkommen Unerwartetes. Er legte Dawson seine Hand auf die Schulter, und für einen kurzen Moment meinte Dawson, Traurigkeit in den Augen seines Vaters wahrzunehmen.
    „Du hast wirklich Glück gehabt, Junge! Ein paar von deinen Freunden hatten nicht so viel Glück. Sie sind tot.“
    Es drang nicht zu ihm durch. Tot? Wie konnten welche von ihnen tot sein? Sie hatten doch nur Blödsinn gemacht. Spaß gehabt. Wer war tot? Dawson hatte keine Gelegenheit mehr, nachzufragen.
    „Hallo, Chef“, erklang eine Stimme von der Tür, und auf einmal lächelte Dawsons Dad. Die Traurigkeit war verschwunden – und auch die Hand auf Dawsons Schulter.
    „Johnny! Wie geht’s deinem Wurfarm?“
    „Tut noch weh, ist aber halb so schlimm.“
    Dawson fand, dass Johnny B. sogar noch besser aussah als nach einem Footballspiel. Aber er konnte es nicht fassen, wie begeistert sein Vater wirkte – als habe ein Promi das Zimmer betreten. Andererseits war Johnny B. bei ihnen das, was einem Promi am nächsten kam.
    „Ist es in Ordnung, wenn ich mich mit Dawson unterhalte?“
    „Klar. Ich muss ohnehin nach Hause und mich für die Arbeit umziehen. Ich lasse euch dann mal alleine, Jungs. Dawson, ich komme heute Abend wieder, sobald ich wegkann, okay?“
    Johnny wartete, bis Dawsons Dad gegangen war, und warf sogar noch einen Blick auf den Flur, um sicherzugehen, dass ihnen niemand zuhörte. Dann setzte er sich so neben das Bett, dass er die Tür sehen konnte.
    „Was hast du ihm gesagt?“, fragte er.
    „Was meinst du?“
    „Was hast du deinem Vater von gestern Nacht erzählt?“
    „Nichts. Ich habe ihm gar nichts gesagt.“
    „Hast du ihm von der Kamera erzählt?“
    „Nein.“
    „Und von dem Sally D.?“
    „Natürlich nicht!“
    „Dir ist ja wohl klar, dass wir ganz schön in der Scheiße sitzen, wenn herauskommt, wo wir es herhaben.“
    „Ich habe nichts gesagt.“
    „Sie würden mich aus der Mannschaft schmeißen. Und wenn ich nicht spiele, wird nichts aus den ganzen Stipendien, die sie mir angeboten haben.“
    „Ich habe kein Wort gesagt.“
    „Und dann komme ich hier nie raus.“ Dann murmelte er: „Wenigstens Amanda würde sich darüber freuen.“
    So nervös und unsicher hatte Dawson Johnny noch nie erlebt. Er war eher ängstlich als wütend.
    „Nichts davon war meine Idee“, sagte er. „Wenn ich dran bin, sind alle dran.“
    „Mein Dad hat gesagt, dass jemand gestorben ist.“
    Johnny blickte starr geradeaus, auf einen Punkt über Dawsons Kopf. Lange Zeit schien er nicht einmal zu blinzeln. Dann griff er plötzlich nach Dawsons einbandagiertem Arm, und seine Finger gruben sich in die Wunden. Dawson wollte schreien vor Schmerz. Er sah, dass frisches Blut durch den Verbandtrat. Er versuchte seinen Arm wegzuziehen, aber Johnny verstärkte seinen Griff und beugte sich vor, bis sein Gesicht nur noch Zentimeter von Dawsons Gesicht entfernt war. Sein Atem war warm und sauer.
    „Halt einfach nur deinen Mund!“

20. KAPITEL
    Washington, D. C.
    Julia Racine wünschte, sie könnte vergessen, wie klebrig die Finger des kleinen Mädchens waren. Sie sollte eigentlich dankbar sein, dass Cari Anne sie so mochte, dass sie ihre Hand halten wollte. Als Julia schließlich ihrer Neigung nachgegeben und begonnen hatte, sich mit Frauen zu verabreden, hatte sie gedacht, sie würde

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