Fleisch
sie.
Gestern Nacht hatte sie nicht bemerkt, dass die Straße zu Lucys Haus aus festgefahrenem Sand bestand, mit nur wenig Kies, der hauptsächlich in der Mitte lag. Der Regen hatte einige Rinnen hinterlassen, die sie wie Adern durchzogen und den Rand abbröckeln ließen. Maggie hielt sich in der Mitte, um nicht in den wassergefüllten Graben abzurutschen.
Zunächst schien der Schäferhund durch ihr Verhalten beunruhigt zu sein. Er verhielt sich wachsam und suchte nach der Gefahr, vor der sie davonlief. Aber er blieb bei ihr und hörte bald auf, sich umzuschauen. Es erinnerte sie daran, wie sie mit Harvey joggen ging. Sie hatte gerne Gesellschaft.
Sie waren noch nicht lange unterwegs, als sich die Ohren des Hundes aufrichteten und er versuchte, Maggie an den Rand der Straße zu drängen, indem er sich an ihr Bein drückte, einmal und dann ein zweites Mal, als sie ihn nicht beachtete. Der Pick-upkam den Hügel hinter ihnen hinab, und plötzlich heulte der Motor auf, beinahe direkt bei ihnen. Die Reifen bissen sich in den Kies und spritzten Maggie und Jake voll Sand. Der Hund legte sich fast flach auf den Boden, als die Bremsen des Pickups quietschten und noch mehr Sand und Kies herumspritzten. Die Rücklichter waren aufgeflammt. Der Pick-up kam ruckelnd zum Stehen.
Jake war wieder auf den Beinen und stupste mit seiner Nase an Maggies Hand, um sie dazu zu bringen, ihm nach Hause zu folgen.
Der Motor lief im Leerlauf, dann wurde der Rückwärtsgang eingelegt, und der Wagen fuhr langsam zurück. Das Fenster öffnete sich, und der Fahrer streckte seinen Kopf heraus. Er war jung, Mitte zwanzig, hatte einen Sonnenbrand und eine Kappe auf, die er so tief in die Stirn gezogen hatte, dass Maggie von seinem Gesicht nur die verspiegelte Sonnenbrille und den buschigen Schnauzer erkennen konnte.
„Alles in Ordnung, Ma’am?“
„Ich laufe nur eine Runde.“
„Laufen?“ Sein Kopf fuhr herum, als suche er jemanden, der ihm dies erklären könnte.
„Ich jogge“, sagte Maggie und stellte fest, dass sie Sand um Mund und Augen hatte.
Er starrte sie an. Schließlich sagte er: „Oh, alles klar. Okay. Ich dachte nur, ich frage besser mal nach.“
Er legte einen Gang ein und rollte langsam davon. Maggie hoffte, dass er gemerkt hatte, dass er sowohl sie als auch den Hund hätte erwischen können und nun langsamer fuhr. Sie konnte sehen, dass er sie im Rückspiegel beobachtete, und stellte fest, dass es eher die Neugier statt ein schlechtes Gewissen war, die seine Geschwindigkeit beeinflusste.
Als sie und Jake zurück zum Haus kamen, hatte Lucy den Tisch bereits fürs Frühstück gedeckt, und aus der Küche kam der Duft von gebratenem Speck.
„Sie haben mir ja gar nicht gesagt, dass man hier derart auffällt,wenn man bloß auf der Straße läuft.“
Lucy blickte nicht von der Theke hoch, wo sie Butter auf etwas strich, das wie frisch gebackenes Brot aussah. Aber es war ein feines Lächeln zu sehen, als sie sagte: „Ich glaube, Sie und ich fallen immer auf, egal was wir sagen oder tun.“
19. KAPITEL
North Platte, Nebraska
Licht blendete Dawson. Sofort war er hellwach und sah, dass es durch die Ritzen der Jalousie seines Krankenhauszimmers schien.
Sonnenlicht. Keine Laserstrahlen, kein Feuerwerk.
Sein Dad saß in dem Stuhl an seinem Bett und rieb sich das stoppelige Kinn und die müden Augen. Dawson fragte sich, wie lange sein Vater wohl schon dort war. Hatte er das Wesen auch gesehen? Fieberhaft sah Dawson sich im Zimmer um.
„Du bist in North Platte“, sagte sein Vater. Er dachte wohl, dass Dawson seine Umgebung nicht erkannte. „Im Krankenhaus. Es hat dich ganz schön erwischt, aber du wirst wieder gesund.“
Sein Dad sah müde aus. Aber er sah immer müde aus. Er arbeitete Zehn-Stunden-Schichten in der Fleischfabrik. Manchmal machte er auch eine Doppelschicht, wenn sich einer der anderen Wachmänner krankmeldete. An seinen freien Tagen arbeitete er sogar noch Teilzeit in seinem alten Job als Paketbote. Als er noch bei der State Patrol gewesen war, hatte er normalerweise nicht so viel geschuftet. Aber das war schon Jahre her. Dawson wusste nicht genau, warum er diese Stelle nicht mehr hatte, aber es interessierte ihn eigentlich auch nicht. Es war genau zu der Zeit geschehen, als seine Mutter von ihnen gegangen war. Er hatte es eigentlich nicht einmal recht bemerkt, dass sich sein Vater, als er sich eines Tages für die Arbeit fertig gemacht hatte, einen Taser statt einer Smith & Wesson umgeschnallt
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