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Fleisch

Fleisch

Titel: Fleisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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bewusst, dass er live im Internet auf Sendung war, doch jetzt war er sprachlos. Seine Augen waren starr auf den Himmel gerichtet. Seine Knie wurden ein wenig wacklig.
    In der Ferne explodierten Lichter. Sie waren blau und weiß, bewegten sich nach oben, dann nach unten, nach links und rechts wie kein Luftfahrzeug, das Stotter je gesehen hätte. Allerdings hatte er ähnliche Lichter schon einmal gesehen.
    „Verdammte Scheiße!“ Er war abgerutscht und schrie es laut heraus, wobei es ihm plötzlich völlig egal war, ob ihm die FCC wieder mal ein Bußgeld wegen unflätiger Ausdrucksweise aufbrummen würde. „Ihr werdet es nicht glauben, meine Freunde!“
    Der Kofferraum öffnete sich mit einem Krachen. Metall schabte über Metall. Seine Hände fanden die Reisetasche, und ohne hinzuschauen, durchsuchte er den Inhalt, zog und zerrte hastig, bis er die Kamera endlich gefunden hatte.
    „Am Nachthimmel sieht man noch mehr Lichter“, begann Stotter seinen Bericht, während er versuchte, seine zitternden Finger unter Kontrolle zu bringen. Irgendwann in den letzten Jahren hatte er Arthritis bekommen, und sie ließ jede Handlung zu einer kleinen Herausforderung werden. Er wischte seine feuchten Handflächen nacheinander an seiner Kakihose ab und fummelte dann weiter an den Knöpfen seiner Kamera herum.
    „Leute, ich bin heute Abend in den Sandhügeln von Nebraska, nur ein kleines Stück von Halsey entfernt. Heilige Scheiße! Da kommen sie wieder!“
    Die Lichter machten eine scharfe Kurve und hielten direktauf Stotter zu. Es waren drei, wie helle Sterne, die in einer engen Formation flogen, jedes für sich, aber doch zusammen als eine Einheit.
    Er riss die Kamera hoch und stellte erleichtert fest, dass die Lichter im Sucher zu erkennen waren und die Nachtsicht funktionierte. Das Aufnahmelicht leuchtete hellrot. Aber Stotters Hände zitterten immer noch. Er musste sich sehr konzentrieren, um sie zur Ruhe zu bringen.
    „Die Stottercam-Abonnenten unter euch sollten jetzt ein etwas wackliges Bild von diesem unglaublichen Anblick sehen können. Für alle anderen werde ich versuchen, es zu beschreiben: Sie sind jetzt fast über mir. Leute, sie sehen so aus wie die Venus und zwei Begleiter, was die Größe und Helligkeit angeht, nur dass sie sich über den Himmel bewegen – jetzt recht langsam. Sie sehen aus, als gehörten sie zusammen, aber gerade eben noch sind sie auf und ab geschossen, jedes für sich. Unregelmäßig. Fast diametral entgegengesetzt.“
    Wesley Stotter war hinter Lichtern am Nachthimmel her, seit er alt genug war, um Auto zu fahren. Als er ein Junge war, hatte ihm sein Vater Geschichten aus seiner Militärzeit erzählt. John Stotter war kurz nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Raketenbasis von White Sands stationiert gewesen, wo im Rahmen eines geheimen Programms Teststarts von deutschen V2-Raketen durchgeführt wurden. In der Nähe befand sich das Atombomben-Versuchsgelände von Alamgido, und auch der Militärflugplatz von Roswell, New Mexico, war nicht weit entfernt. Die Geschichte, die Wesley Stotter am liebsten mochte, war die, die sich während einer nächtlichen Patrouille im Sommer 1947 zugetragen hatte. Da hatte sein Vater beobachtet, wie ein außerirdisches Raumschiff vom Nachthimmel gestürzt und in die Wüste gekracht war. John Stotter war einer der Ersten gewesen, die die Absturzstelle erreicht hatten. Wenn Wesley Stotter an die Beschreibung dessen dachte, was sein Vater da erblickt hatte, bekam er auch heute noch eine Gänsehaut.
    Nächstes Jahr wurde er sechzig, und er hatte viele merkwürdigeDinge gesehen, aber nie etwas, das dem Erlebnis seines Vaters auch nur nahekam. Vielleicht heute Nacht.
    Die Lichter verharrten, bevor sie Stotter erreichten, und schwebten über den Sanddünen. Stotter wusste, dass sich dort irgendwo der Dismal River durch das Weideland schlängelte. Er trennte die Futterwiesen vom Wald, aber sämtliches Land gehörte zum Nationalforst. Stotter überlegte, ob er näher heranfahren könnte, doch dort gab es keine Straßen mehr. Nur Sand und holprige Viehwege. Er konnte es nicht riskieren, dass er mit dem Stottermobil im Sand stecken blieb oder wieder den Auspuff verlor wie vor zwei Wochen.
    Er liebte sein Auto. Das hölzerne Armaturenbrett hatte nur eine kleine Abschürfung, das war alles, und davon abgesehen war die Innenausstattung immer noch in tadellosem Zustand. Jedes Jahr sagte er sich von Neuem, dass er sich vielleicht besser einen Geländewagen zulegen sollte,

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