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Fleisch

Fleisch

Titel: Fleisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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worden war, nicht hatte unterdrücken können.
    Der Geruch war beunruhigend, doch es war das Stöhnen – halblaute Schreie von Verwundeten, die in der Dunkelheit erklangen –, das Maggie am meisten zusetzte. Sie war eigentlich keine Ersthelferin. Obwohl sie etwas von Wiederbelebungsmaßnahmen verstand, brauchten sie die meisten der Opfer, mit denen sie es zu tun hatte, nicht mehr. Normalerweise waren alle tot, wenn Maggie an einem Tatort ankam.
    Die Lichtkegel starker Taschenlampen erfassten zusammengedrängte Gestalten, die auf dem Boden kauerten, Schutz suchend. Trockene Blätter knirschten. Kiefernnadeln wurden aufgewirbelt und stoben davon wie aufgeschreckte Tiere.
    Den Ausdruck ihrer Gesichter würde Maggie nie wieder vergessen. Die Augen geweitet. Die Lippen zitternd. Einige von ihnen murmelten wirr vor sich hin. Mit Händen und Armen machten sie abwehrende Bewegungen, sinnlose, unkoordinierte Bewegungen, die sie in den Lichtstrahlen aussehen ließen wie bekiffte Tänzer unter einer rotierenden Discokugel.
    Im Pick-up hatte Maggie ihre Lederjacke angezogen, aber jetzt kam das Frösteln von innen heraus. Und die Dunkelheit hier im Wald machte sie wehrlos, als wäre sie selbst ein Wesen, das Maggie bedrängte und alles verschluckte, was das Taschenlampenlicht ausließ.
    Über Maggie knarzte das Dach aus Ästen. Es wurde zu einer Decke, die sich regte, hin und her wogte. Lücken darin ließen kleine Stücke des Nachthimmels erkennen. Gelegentlich versuchte ein fast voller Mond, zwischen den Wolken hindurchzuscheinen,und ab und zu drang sein Schimmern bis zu ihr durch und tauchte alles kurz und überraschend in ein fahles Licht.
    Ein großer, schlanker Ranger namens Hank führte sie. Sie hatten ihn oben am Hauptzeltplatz getroffen, und er hatte erklärt, man würde nicht bis zu der Stelle hinfahren können.
    „Ihr seid die Ersten hier“, sagte er mit so großer Erleichterung in der Stimme, dass Maggie sich bei der Hoffnung ertappte, Donny würde wissen, was mit den Verwundeten zu tun war. Denn ihre Stärke war es, sich um die zu kümmern, die warten konnten. Hoffentlich wurde das hier nicht gebraucht.
    „Verdammt, ist das steil!“, hatte Donny wiederholt gestöhnt.
    Maggie hatte dasselbe gedacht, als sie ihm einen überwachsenen Pfad hinab folgte. Sie tastete sich mehr voran, als dass sie sah, wohin sie ging, griff nach den Zweigen, bevor sie ihr ins Gesicht schlugen, verpasste ein paar und spürte die Schläge. Wie sollten sie die Verletzten hier nur wieder hinaufbringen?
    Als die drei die ebene Lichtung erreicht hatten, waren sie völlig außer Atem. Maggie fühlte, wie ihr der Schweiß den Rücken hinablief, trotz der Kälte der Nacht.
    „Wir wollen euch helfen“, rief Donny, doch so leise und zögerlich, dass Maggie sich fragte, ob ihn überhaupt jemand gehört hatte. „Hank, wir brauchen hier mehr Licht!“
    „Einer meiner Jungs bringt ein paar Lampen und einen Generator.“
    Die Notfall-Einsatzleiterin hatte zuvor kaum Einzelheiten mitgeteilt. Sie hatte einen Notruf aus dem Wald erhalten. Der Handyempfang war schlecht gewesen, und es hatte immer wieder Aussetzer gegeben, daher war es ihr schwergefallen, die Nachricht überhaupt zu verstehen. Eine Gruppe Teenager sei angegriffen worden. Es gäbe Verletzte. Nein, sie wüssten nicht, wer – oder was, wie sie betont hatte – sie angegriffen hatte. Frustriert hatte sie gemeint, der Junge habe geklungen, als hätte er unter Drogen gestanden, und er habe ihr nicht sagen wollen, was sie in der Nacht dort im Wald getrieben hätten.
    „Hank, Sie haben doch eine Ausbildung als Rettungssanitäter, richtig?“, erkundigte sich Donny.
    „Ja, Sir.“
    „Und Sie, Agent O’Dell?“
    „Nein.“
    „Aber Sie können Erste Hilfe leisten?“
    „Eigentlich schon. Ist allerdings schon etwas eingerostet.“
    „Lassen Sie uns etwas versuchen.“
    Donny richtete seine Taschenlampe auf sich selbst. Der Lichtstrahl zeichnete einen Kreis unter sein Kinn und beleuchtete sein Gesicht. Dann hob er die Stimme, als er die Verletzten in der Dunkelheit ansprach.
    „Mein Name ist Donny Fergussen. Ich bin Polizist. Wir wollen euch helfen. Ihr bekommt keinen Ärger. Wir wollen niemanden verhaften. Wenn ihr verletzt seid, dann ruft. Wenn jemand neben euch verletzt ist, dann ruft für ihn.“
    Stille. Sogar das Stöhnen verstummte.
    Eine Eule schrie. Äste knarrten im Wind. Dann war endlich eine dünne, hohe Mädchenstimme zu vernehmen: „Hier drüben!“
    Dann eine weitere

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