Fleischessünde (German Edition)
Seelensammler. Das Gerücht hatte die Runde gemacht, dass dieses Stück Haut in einen billigen Plastikrahmen gespannt Sutekh als „Geschenk“ geschickt worden sei. Das war eine eindeutige Kriegserklärung. Nur der Absender fehlte.
Die Haut des Reapers war tätowiert. Sie trug das dunkle Zeichen der Isis, das Ankh mit Flügeln und Hörnern, allerdings verkehrtherum, auf dem Kopf stehend. Kein Seelensammler hätte sich freiwillig damit geschmückt. All das interessierte Calliope weniger. Sie kannte es schon. Was sie suchte, war ein Hinweis darauf, wer diese Tat begangen hatte.
Wie die Städte der Sterblichen in Interessensphären der Gangstersyndikate war die Unterwelt unter verschiedenen Gottheiten aufgeteilt. Die Territorien wurden beherrscht von Osiris, Hades, Pluto, Izanami, Sutekh und wie sie alle hießen. Es war eine lange Liste von Göttern, Halbgöttern und Dämonen, die die großen und weniger verbreiteten Religionen bevölkerten. Sie alle wachten eifersüchtig über ihre Grenzen. Es gab zwar Bündnisse und Absprachen und einen schon länger währenden Waffenstillstand. Aber der war aufgrund der Launenhaftigkeit der verschiedenen Herrscher äußerst instabil.
Der Mord an einem Seelensammler war ein sicherer Weg, dieses empfindliche Gleichgewicht zu stören; und der unverhohlene Fingerzeig auf Isis, die alte Erzfeindin Sutekhs, erst recht. Trotz des Zeichens auf der Haut des Reapers war Calliope nicht davon überzeugt, dass die Isistöchter mit der Sache etwas zu tun hatten. Es sah mehr aus wie ein Zeichen, das auf eine falsche Fährte locken sollte.
Die Qualität der Bilder war schlecht. Sie waren verwackelt und unterbelichtet. Gesichter waren gar nicht zu sehen, nur die Brust des Seelensammler und zwei Paar Hände, die Messer mit schwarzen Klingen und eine ovale Schale, in der das Blut aufgefangen wurde.
Doch halt!
Calliope hielt den Film an und schaute genauer hin. In der unteren linken Ecke des Bilds war eine Hand zu sehen, die die Schale hielt. Sie trug keinen Handschuh. Kurz und sauber geschnittene Nägel und an einem der Finger ein Ring in Form eines Skarabäus.
Sie kannte diesen Ring. Jeder Setnakht-Priester trug so einen, auch Kuznetsov. Hm, das war recht aufschlussreich, aber eigentlichauch nichts Neues. Sie hatte die Setnakhts ohnehin in Verdacht gehabt, in den Mord verwickelt zu sein. Das hier war nur die Bestätigung. Sie schaute sich den Clip weiter an und achtete dabei besonders darauf, was sich im Hintergrund abspielte. Später würde sie sich die Zeit nehmen, sich all das noch einmal Bild für Bild anzuschauen. Außerdem hatte sie vor, eine Kopie von einem Fachmann begutachten zu lassen, der in der Lage war, Einzelheiten herauszufiltern und zu vergrößern.
Calliope fielen die Messer auf. Für ein paar Sekunden wurde im Vordergrund das Ende eines Griffs sichtbar. Es war ein ungewöhnliches Design. Sie sah auf die Uhr. Knapp acht ihrer neun Minuten waren um. Das Video musste jetzt warten. Sie schaltete das Handy aus und steckte es ein. Im nächsten Augenblick war sie verschwunden wie Rauch im Nebel.
Um in den sechsundzwanzigsten Stock zu kommen, nahm Malthus die Treppe. Er hatte Zeit genug. Der gute Pyotr Kuznetsov sollte sich erst einmal in aller Ruhe entspannen, bevor sie sich kennenlernten. Der Korridor auf seinem Stockwerk war verlassen. Keine Menschenseele. Malthus musste kurz grinsen, als ihm das Wort Seele in den Sinn kam.
Aus einem schwarzen Lederetui holte er einen schmalen Dietrich und schob ihn in das Schloss von Kuznetsovs Wohnungstür. Natürlich hätte er das Schloss auch mit seinen übernatürlichen Kräften laut- und problemlos knacken können, aber so machte es ihm einfach mehr Spaß. Malthus liebte sein Handwerk. Zudem hatte diese elegantere Variante den Vorzug, dass sie ein intaktes Türschloss zurückließ, das niemandem auffiel, der zufällig vorbeikam. Publikum war unerwünscht. Es machte die Sache nur unnötig kompliziert – und schmutzig.
Innerhalb von Sekunden spürte Malthus, wie sich der Zylinder im Schloss drehte. Die Tür war offen, und er konnte eintreten. Er zog die Tür leise hinter sich zu und schloss wieder ab. Vorfreude kam in ihm auf. Er hatte ein gutes Gefühl bei der Sache. Hochwürdenwürde ein sprudelnder Quell an Informationen sein. Ein kameradschaftliches Gespräch unter Männern über die Rolle, die Pyotr bei den Morden an den Frauen gespielt hatte – wenigstens an den drei Frauen, von denen Malthus wusste. Dann sollten sie zum
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