Fleischessünde (German Edition)
darfst mich ruhig Mal nennen.“
„Malthus Krayl … der Bruder von Dagan Krayl?“, fragte sie.
Er stutzte, setzte aber gleich wieder sein herausforderndes Lächeln auf. Trotzdem war Calliope seine Überraschung nicht entgangen.
„Ich verstehe“, sagte er dann. „Du bist vermutlich eine Bekannte von Dagans Freundin Roxy Tam.“ Sein Lächeln wurde breiter. „Ist sie nicht eine Isistochter – genau wie du?“
„Sehr scharfsinnig“, bemerkte sie mit kaltem Spott. Eine so große Leistung war seine Schlussfolgerung nicht, nachdem sie Isis’ Namen eingeworfen hatte. Jeder Trottel hätte darauf kommen können.
„Unser Kätzchen zeigt seine Krallen“, konterte er gutmütig und betrachtete sie eingehend von Kopf bis Fuß. „Dabei würde ich mich von dir ganz gern mal kratzen lassen.“
Sie starrte ihn entgeistert an. Was war das? Sollte das ein anzügliches Angebot gewesen sein? Mit Schaudern fiel ihr der Missgriff in der Disco wieder ein.
Calliope würdigte ihn keiner Antwort. Er verdiente keine. Alles, was er verdiente, waren die ewigen Qualen auf den Feuerseen. Für seinen Bruder Dagan konnte sie allein ihrer einstigen Schülerin und besten Freundin Roxy zuliebe noch einen gewissen Respekt aufbringen. Außerdem hatte er Roxy und um Roxys willen auch ihr selbst schon mal das Leben gerettet. Das war aber auch das höchste der Gefühle, die sie für einen Reaper aufbringen konnte. In Dagan Krayls Fall bestand so etwas wie ein Stillhalteabkommen. Sie hielten sich voneinander fern. Roxy war in ihrem Haus jederzeit willkommen, er nicht.
„Ich bin weder dein Kätzchen noch dein Darling “, bemerkte sie spitz.
Malthus sah sie von der Seite an. „Du bist vermutlich Calliope Kane, Roxys frühere Mentorin in der Isisgarde. Dagan hat mal von dir gesprochen. Allerdings hat er nie erwähnt, dass du eine so heiße Nummer bist.“ Die Provokation mit der heißen Nummer machte ihm sichtlich Spaß.
Calliope ließ sich nur ein müdes Lächeln entlocken. „Unartige Jungs bekommen bei mir was auf ihre dreckigen kleinen Pfoten.“
Er lachte nur gutmütig. „Das glaube ich dir aufs Wort, Darling.“
Kuznetsov begann sich zu rühren. Sie hatten hier schon zu viel Zeit vertan. Calliope musste mit ihm verschwinden, bevor er wieder zu sich kam. Ihr Auftrag war, den Setnakht-Priester zu holen, damit er befragt werden konnte. Aber so fieberhaft sie auch nachdachte, ihr fiel keine Möglichkeit ein, das unter den gegebenen Umständen zu bewerkstelligen.
Malthus schien ihre Gedanken zu erraten. „Sollen wir eineMünze werfen?“, schlug er vor.
Sie starrte ihn verständnislos an.
„Um auszulosen, wer ihn bekommt“, erklärte er.
„Und wenn ich gewinne?“
„Nehme ich ihn mir trotzdem“, erklärte er mit Unschuldsmiene.
Sie war erstaunt, dass er das so offen und unverfroren zugab. „Fair Play scheint für dich nicht zu existieren.“
„Nein“, beschied er kurz. „Nun geh beiseite. Ich will dir nicht wehtun. Dir geschieht nichts. Ich werde dich nicht anfassen. Es sei denn“, seine Mundwinkel zuckten, „es ist dein ausdrücklicher Wunsch.“
Sie überhörte die letzte Bemerkung geflissentlich. Sie regte sich nicht einmal darüber auf, denn sie war viel zu sehr mit der Frage beschäftigt, wie sie gegen Malthus Krayls Willen Kuznetsov von hier fortschaffen sollte. Körperlich hatte sie gegen ihn nicht die geringste Chance. Vielleicht, wenn sie ihm ein wenig Blut abzapfte, um aus seiner Kraft zu schöpfen …
Allein der Gedanke gab ihr einen Kick, aber er war nichtsdestoweniger abstoßend. Trotzdem konnte es eine Chance sein, wenn auch nur eine geringe. Hektisch erwog sie das Für und Wider.
Diese klaren hellen grauen Augen … Augen, die sie seit anderthalb Jahrhunderten schon verfolgten. Er streckte seine Hand nach ihr aus. Die Zeit geriet aus den Fugen. Sie wollte die Erinnerung abschütteln und sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Das war nicht derselbe Mann. Der, an den sie dachte, war lange tot. Aber die Bilder wollten sie nicht loslassen. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – alles geriet durcheinander.
Eine Hand streckte sich nach ihr aus. Durch den Spalt der Vorhänge drang ein schmaler Lichtstrahl. Im Hintergrund hörte sie das Geräusch des Ventilators im Bad.
Aber das gehörte in die Zukunft.
Ihr stockte der Atem. Sie hatte die Szene vor ihrem geistigenAuge schon einmal durchlebt und würde sie wieder durchleben. Sie hatte gesehen, wie die Hand tief in ihrem Brustkorb nach ihrem
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