Fleischessünde (German Edition)
Herzen griff, das noch immer schlug, als es herausgerissen wurde.
War dieser Moment jetzt gekommen?
Nicht, wenn sie es verhindern konnte. Ihr Schicksal war noch nicht besiegelt. Denn das, was sie vorausahnte, musste nicht zwangsläufig so eintreten. Jedes Individuum reagierte anders und konnte den Ausgang einer Situation beeinflussen.
Sie versuchte es mit einem Überraschungsangriff. Sie trat nach seiner Kniescheibe und schnellte gleichzeitig mit dem Oberkörper zurück, um dem Gegenangriff ausweichen. Aber merkwürdigerweise kam keine. Malthus schien einen Moment lang unschlüssig zu sein, wie er auf Calliopes Überfall reagieren sollte. Dieser Moment genügte ihr, um zum nächsten Schlag auszuholen. Mit einem geübten Kick mit der Hacke ließ sie ihr Schwert, das sie auf dem Rücken trug, hervorschnellen. Geschickt fing sie es mit einer Hand am Griff auf, während sie mit der anderen nach dem Messer in ihrem Gürtel griff.
Malthus reagierte schnell, doch nicht schnell genug. Mit einem Streich durchtrennte sie einen Teil des Vorhangs, der zu Boden glitt, während sie auf die Schulter ihres Gegners zielte. Der konnte gerade noch ausweichen, sodass das Schwert nur seinen Unterarm traf. Aber das reichte ihr schon. Sie hatte nicht vorgehabt, ihn zu töten, was sowieso nicht möglich gewesen wäre. Sie war vor allem darauf aus, ihm eine blutende Wunde zuzufügen, und das war gelungen.
„Was zum Teufel …“, knurrte er. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. Schmerz und Wut verzerrten seine Züge. „Treib es nicht zu weit. Das bekommt dir schlecht.“
Die Wunde klaffte tief, und in einem breiten Strom lief ihm das Blut am Arm herunter, was bei Calliope Befriedigung auslöste. Wenn sie einen Reaper schon nicht töten konnte, konnte sie ihm immerhin Schmerzen zufügen.
Mit einer blitzartigen Bewegung hatte er ihr in der nächsten Sekunde das Schwert entrissen und es quer durchs Zimmer an die Wand geschleudert. Calliope wehrte sich nicht, auch nicht, als er nach ihrem Handgelenk griff, um den möglichen nächsten Angriff mit ihrem Messer aufzuhalten, das sie jetzt aber gar nicht mehr brauchte. Das Schwert hatte bereits seine Schuldigkeit getan.
So wehrte sie sich nur zum Schein, als er ihr das Messer entwand. Der Geruch seines Bluts stieg ihr in die Nase. Sie wusste, was er erwarten würde: dass sie versuchte, sich von ihm freizumachen. Aber sie tat das Gegenteil. Ihren Abscheu überwindend, warf sie sich ihm entgegen und presste gleich darauf den Mund auf seinen blutenden Unterarm. Fluchend versuchte er, sie wie eine lästige Fliege abzuschütteln. Doch sie hatte sich nach Pitbullmanier festgebissen.
Sein Blut füllte ihren Mund. Es war furchtbar und wunderbar, abstoßend und berauschend zugleich, eine Geschmacksmischung aus salzig, süß und metallisch. Sie verspürte eine Aufwallung widerstreitender Gefühle – Triumph, Zorn, Hass –, Gefühle, die sie gleich wieder unterdrückte, um sich nur auf eines zu konzentrieren: auf den Auftrag, den sie zu erfüllen hatte. Angesichts seiner Überlegenheit bestand ihre einzige Chance darin, mit seinem Blut seiner übermenschlichen Kräfte teilhaftig zu werden.
Sonst achtete Calliope normalerweise sehr darauf, ihren vampirischen Trieb zu zügeln. Was sie lebensnotwendig brauchte, nahm sie sich in den kleinstmöglichen Dosen von anderen – und das auch nicht in Form von Blut. In diesem Fall war sie jedoch gezwungen, einen anderen Weg wählen, und zögerte auch nicht. Noch einmal sog sich Calliope den Mund voll. Die Knie wurden ihr weich, als in einer zweiten Welle die Wirkung bei ihr ankam, ein wahrer Wirbelsturm an purer Energie – unkontrollierbar, furchterregend … köstlich.
Ihre Kraft hatte sie bisher ausschließlich von Sterblichen bezogen. Auf eine andere Idee wäre sie nicht im Traum gekommen. Aber bei aller Abscheu davor konnte sie nur so ihren Auftrag erfüllen und Kuznetsov in der Garde ausliefern, damit dort von ihm in Erfahrung gebracht werden konnte, warum es zu den Morden an dem Reaper und den drei Isistöchtern gekommen war.
Calliope ahnte schon, dass sie für ihr Vorgehen würde bezahlen müssen. Alles hatte seinen Preis. Aber darum konnte sie sich in diesem Augenblick nicht kümmern.
Malthus griff ihr ins Haar und riss ihr den Kopf zurück. Es tat so weh, dass ihr davon das Wasser in die Augen schoss. Ein dünnes Rinnsal seines Bluts lief ihr übers Kinn. Sie spürte es deutlich auf der Haut.
Er hielt sie am ausgestreckten Arm
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