Fleischessünde (German Edition)
Bewusstlosigkeit zuzudrücken. „Du wirst mir jetzt erzählen, für wen ihr arbeitet. Sonst bist du auch fällig.“
„Big Ralph“, stieß der Mann keuchend hervor. Offenbar hatte er jetzt schon allen Widerstand aufgegeben.
Der Name sagte ihr etwas. Big Ralph stand in Diensten von Asmodeus, dem Unterweltgott der fleischlichen Lust, für den er einige Mädchen auf den Strich schickte. Calliope war ihm nie begegnet, aber Roxy hatte ihn ein- oder zweimal erwähnt. Er war einer ihrer Informanten in der Szene.
„Und was ist euer Auftrag?“, fragte sie weiter und verstärkte den Druck auf die Gurgel ein wenig.
Seine Augen begannen hervorzutreten, und auch er versuchte, sich aus der Umklammerung zu befreien. Aber er war chancenlos. Selbst ohne ihr Doping, das sie Malthus Krayl verdankte, war sie ihm überlegen. „Wird’s bald? Dein letztes Stündlein hat gleich geschlagen.“
Er riss die Augen noch weiter auf und schüttelte den Kopf. Calliope lockerte den Griff ein wenig, um ihn reden zu lassen.
„Wir suchen jemanden, den Big Ralph sprechen möchte.“
„Für wen arbeitet dein Big Ralph?“, fragte sie, obwohl sie die Antwort kannte. Sie wollte nur erfahren, wie viel er wusste.
„Keine Ahnung. Ich schwör’s.“
„Wen wollte Big Ralph sprechen?“
„Kuznetsov.“
Natürlich. Hochwürden war an diesem Abend offenbar sehr gefragt. „Dann seid ihr im falschen Stockwerk.“
Die Miene des Befragten hellte sich ein wenig auf. „Im Ernst? Wir waren selbst nicht sicher …“
„Und was hattet ihr vor? Wolltet ihr von Tür zu Tür gehen und fragen?“
Der Gesichtsausdruck sagte alles. Calliope drückte zu, bis er die Besinnung verlor. Dann schleppte sie beide in die Wohnung, aus der sie gerade gekommen war, und zog leise die Tür ins Schloss.
Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass der ganze Zwischenfall sie drei Minuten gekostet hatte, drei wertvolle Minuten, die sie unter Umständen teuer zu stehen kommen konnten. Dass der Reaper noch nicht aufgetaucht war, beruhigte sie keineswegs. Es sprach eher für einen Hinterhalt.
Ein weiteres Mal schulterte sie den Teppich, begab sich zum Fahrstuhl und drückte den Knopf für „abwärts“. Auf der Anzeige konnte sie sehen, dass der Lift aus dem sechsundzwanzigsten Stock kam. Das war Kuznetsovs Stockwerk, in dem sie den Reaper zurückgelassen hatte. Der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. Calliopes Herz schlug schneller. Wieder zückte sie das Messer, hielt es aber versteckt.
Die Türen des Lifts glitten auseinander. Eine weißhaarigeFrau, die aussah wie ein aufgeplusterter Wellensittich, stand da und blinzelte sie an. Calliope hielt das Messer hinterm Rücken und blieb auf der Hut. Das Unheil nahte oft in den unschuldigsten Verkleidungen. Außerdem war nicht gesagt, dass diese Frau allein in der Fahrstuhlkabine stand. Der Reaper konnte ebenso gut einen Meter neben der Alten stehen, ohne dass sie ihn bemerkte.
Calliope warf einen Blick auf den Boden der Kabine. Er mochte sich zwar selbst verborgen halten, aber sie bezweifelte, dass er auch seine Blutspuren unsichtbar machen konnte. Davon war jedoch nichts zu sehen. Also sprach einiges dafür, dass der faltige Hausdrache, der sie jetzt mit seinen stechenden Augen ansah, tatsächlich allein war.
„Damit kommen Sie hier nicht herein“, keifte die Weißhaarige und zeigte auf den Teppich. „Sie können nicht einfach den Fahrstuhl für Ihre Umzüge benutzen. Die Regeln sind schließlich für alle da.“ Damit knallte sie die Faust auf die Erdgeschosstaste, und die Fahrstuhltüren schlossen sich wieder.
Calliope ließ sie fahren und drückte den Knopf, um den nächsten Aufzug zu holen. Sie zählte im Geiste die Sekunden und ärgerte sich, dass, wie es aussah, sich ausgerechnet heute alle Irren hier ein Stelldichein gaben. Während sie wartete, studierte sie den amtlichen Aushang, der die Fluchtwege anzeigte.
Noch während sie überlegte, die Feuertreppe zu nehmen, kam der nächste Fahrstuhl. Calliope inspizierte den Boden nach Blutspuren und betrat, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass es keine gab, die Kabine, was sich etwas schwierig gestaltete, da die Teppichrolle nur diagonal hineinpasste.
Sie hielt den Kopf gesenkt und spähte aus dem Augenwinkel. Wie sie erwartet hatte, entdeckte sie in der einen oberen Ecke die Videoüberwachung. In einem so noblen Appartementhaus wie diesem war natürlich auch der Sicherheitsstandard vom Feinsten. Einen Moment lang erwog sie, die Kameralinse zu zerstören,
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