Fleischmarkt
Transsexuellen liegt, sondern in unserer prekären Konstruktion und Definition dessen, was als ›Mann‹ und ›männlich‹ und was als ›Frau‹ und ›weiblich‹ gilt. Bindels Beschreibung von transsexuellen Frauen in »Fickmichstiefeln und mit Vogelnestfrisur« entspricht dem, was unter den 12-, 13-, 14-jährigen verwirrten Cis-Mädchen üblich ist, die darum ringen, ihr kaum verstandenes, aber intuitiv gefühltes Frausein mit einer gesellschaftlich diktierten künstlichen Weiblichkeit in Übereinstimmung zu bringen. Wie Teenager, die ihre BHs mit Klopapier ausstopfen und sich grässlichen Lippenstift anschmieren, zieht es die Transfrauen, für die Bindel, Greer und ihresgleichen nur Verachtung übrig haben, lediglich dahin, wo es die meisten heranwachsenden Mädchen auch hinzieht: in die pathologischen Fallen der sozial akzeptierten Geschlechterkonformität.
Amy, eine 41-jährige Transfrau, erläutert: »Die Transition in späteren Jahren zu erleben, ist eine echt komische Erfahrung, wenn man sich plötzlich und unerwartet wie ein Teenager fühlt und einen Hormonspiegel wie ein junges Mädchen hat. Du bist ja nicht langsam in die Teenagerzeit hineingeschlingert wie ›normale‹ Mädchen, hast die allmähliche Sozialisation und das langsame Eintauchen in gesellschaftliche Erwartungen und Wirklichkeiten nicht erlebt. Transfrauen müssen das erst lernen, in meinem Fall ein Vierteljahrhundert später. Die Ergebnisse sind manchmal wirklich verwirrend.« Oder, wie es eine Cis-Freundin von mir formulierte: »Wenn ich als Teenager das Geld gehabt hätte, über das manche Transsexuelle verfügen, hätte ich sicher auch einen ganzen Schrank voll Fickmichstiefel gehabt.«
Geschlecht kaufen und verkaufen
Die Tatsache, dass sozial akzeptierte weibliche Identität etwas ist, was gekauft und dem Fleisch künstlich aufgezwungen werden muss, ist für Transfrauen leichter nachvollziehbar als für andere Menschen. Die Erfahrungen von Transfrauen, die unter dem Druck stehen, viel Geld auszugeben, um als ›weiblich‹ durchzugehen, sind bezüglich der patriarchalen Unterdrückungsmechanismen, die heute ein Teil des globalen Kapitalismus sind, noch krasser als die von Cis-Frauen. In den westlichen Gesellschaften, wo Shoppen nach Kleidern und Make-up für Cis-Frauen als Initiationsritus gilt, sind alle Menschen, die weibliche Identität zum Ausdruck bringen wollen, gezwungen, sich mit den gnadenlosen Diktaten der Schönheits-, Diät-, Werbe- und Modeindustrie herumzuschlagen, um als Frau anerkannt zu werden. Während es zur ideologischen Grundlage des feministischen Widerstands gehört, das Ungeordnete, Fließende und das Fleisch radikal zu akzeptieren, ist der biologische Essentialismus der Anti-Trans-Feministinnen wie auch der Konservativen unangebracht. In Wirklichkeit wird kein einziger Mensch auf dieser Erde als Frau geboren. Frau zu werden ist für diejenigen, die sich freiwillig oder unfreiwillig diesem Prozess unterwerfen, qualvoll, magisch, verwirrend und höchst politisiert. Im Essay
Mama Cash: Buying and Selling Genders
schreibt der transsexuelle Autor Charlie Anders: »Transsexuelle Menschen, die als Erwachsene eine neue Identität annehmen, verstehen besser als jeder andere, welch hohen Preis das Geschlecht hat. Sie arbeiten oft härter daran, als sie sich eingestehen, das typische Mädchen- oder Jungen verhalten an den Tag zu legen, das man von ihnen erwartet. Vielleicht hast du durch schmerzliches Trial-and-Error-Verfahren gelernt, bestimmte Ausdrücke nicht mehr zu verwenden oder anders zu gehen. Nach einer bestimmten Zeit wird das erlernte Geschlechterverhalten fast zur zweiten Natur, so als ob du versuchst, ein schlechteres Auge auszugleichen. Auch in dieser Hinsicht machen Transsexuelle dieselben Erfahrungen wie alle anderen Menschen.« 19
Das Konzept und die Praxis der operativen Geschlechtsanpassung (GA-OP) ist das Thema, bei dem sich ›radikale‹ Feministinnen und Transaktivistinnen traditionellerweise am heftigsten streiten. Bindel und andere verstehen die Tatsache, dass operative Geschlechtsanpassungen überhaupt durchgeführt werden, als Hinweis darauf, »dass wir in das Unbehagen jener Menschen, die an Gender Dysphoria leiden, einwilligen, und statt nach Wegen zu suchen, wie sie sich in den Körpern, die sie haben, wohlfühlen können, bieten wir ihnen die Operation an«.
Bindel weist darauf hin, dass die ganze ›Industrie‹ der Geschlechtsanpassungen Bestandteil eines gesellschaftlichen
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