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Fleischmarkt

Fleischmarkt

Titel: Fleischmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Penny
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Lebensbereiche wie zum Beispiel den Winterschlussverkauf oder die Liebe zu Jesus. Nach wie vor wird von Frauen ziemlich wörtlich erwartet, dass sie sich selbst verleugnen, dass sie ihr Menschsein auslöschen und die Bedürfnisse des Körpers und den Hunger der Seele nach Transformation aufgeben. Das Abenteuer, ein ganzer Mensch zu werden, kann aber nicht mit Selbstverleugnung erreicht werden. Und genau diese Verleugnung des weiblichen Selbstseins, diese Verleugnung der schmutzigen, strotzenden weiblichen Kraft ist es, der Feministinnen aller Geschlechter und Richtungen widerstehen müssen, wenn wir die tief verwurzelten frauenverachtenden Widerstände in unserer Gesellschaft ausrotten wollen.
    Die Gesellschaft kann nicht wachsen und sich entwickeln, solange sie darauf besteht, dass die Hälfte ihrer Bürger ihre Energie damit vergeudet, physisch und psychisch zu schrumpfen. Die Rückforderung des Fleischlichen hat aber mit einer radikalen Hingabe an die weibliche Kraft zu tun, und das wird für viele Frauen, die von Kindheit an daran gewöhnt sind, ihren Körper und ihr Selbst zu verleugnen und zu beschneiden, genauso hart wie für die Männer, die diesen Körpern und Selbsts Platz machen müssen. Diese Strategie geht weit darüber hinaus, dass einzelne Frauen lernen, ihren Körper zu lieben. Selbstermächtigung ist weit mehr, als Vertrauen zum eigenen Körper zu entwickeln, egal was die Schönheitsindustrie vorgibt.
    Die vielleicht grausamste Falle, in die die Frauen von der zeitgenössischen Konsumgesellschaft gelockt werden, ist, dass die Populärkultur die Angst der Frauen, sozialen Raum einzunehmen, benutzt, um ihnen vorgefertigte Lösungen anzudrehen. Sogar Diäten werden Frauen als der ultimative Weg verkauft, ihr Leben positiv zu verändern. Fernsehsendungen wie die englische Serie
How to Look Good Naked
16 spielen mit genau dieser Angst und suggerieren, dass alle Frauen sich gegenüber der Tyrannei des Körperfaschismus frei fühlen können, wenn sie nur den passenden BH haben und eine Gelegenheit bekommen, auf einer Bühne zu stehen, wo sie von wohlmeinenden Männern beurteilt werden.
    Als ich wieder anfing zu essen und ein annähernd gesundes Gewicht hatte, wurde ich mit Komplimenten überhäuft. Die wenigen Freunde, die ich im Laufe der Jahre meines Hungerns nicht vertrieben hatte, fühlten sich genötigt mir zu versichern, dass ich mit Kleidergröße 8 (38) besser aussehe als mit Größe 0 (32). Die Männer, mit denen ich schlief, versicherten mir, dass sie meine weiblichen Formen toll finden, weil sie dachten, dass ich das hören wollte. Ich bemühte mich verzweifelt, meine Kurven ebenfalls zu lieben, aber der echte Durchbruch kam erst, als ich aufhörte, mich über meine Kleidergröße zu definieren. Erst nachdem ich anfing zu akzeptieren, dass mein Wert als Person nichts damit zu tun hat, wie mein Körper für andere Menschen aussieht, erlaubte ich mir, den Raum zu nehmen, den ich brauchte, und die Macht zu entwickeln, nach der ich mich so sehnte.
    Die Furcht vor dem weiblichen Fleisch ist die Furcht vor der weiblichen Kraft. Wenn wir unsere Körper zurückfordern, muss das damit einhergehen, dass wir auch unsere Macht zurückfordern. Dies kann nicht erreicht werden, indem wir einfach eine teure Bodylotion kaufen. Männer und Frauen müssen sich gleichermaßen mit unserer Furcht vor dem weiblichen Fleisch auseinandersetzen, müssen riskieren, von der Macht der Frauen, Gesellschaft zu verändern, überwältigt zu werden, und die Verantwortung für ihr Leben übernehmen. Wir müssen nur anerkennen, wie hungrig wir darauf sind, dass diese Zukunft bald beginnt, und den ersten Bissen nehmen.
    12 Andersen, AE., »Gender-related aspects of eating disorders: a guide to practice«, in:
The Journal of Gender-Specific Medicine
, 1999, 2 (1), S. 47-54
    13 http://www.disordered-eating.co.uk/eating-disorders-statistics/anorexia-nervosa-statistics-us.html
    14 Tucker, T., »The Great Starvation Experiment: The Heroic Men Who Starved so That Millions Could Live«, Free Press, A Division of Simon&Schuster Inc. 2006
    15 Ryan, T., »Roots of Masculinity«, in: Metcalf, A./Humphries, M. (Hrsg.),
The Sexuality of Men
, Pluto 1985
    16 Die Sendung spielt damit, dass das Fernsehteam den Frauen passende schicke Dessous und eine Bühne zur Verfügung stellt, auf der sie sich vor Zuschauern produzieren können. Anm. d. Ü.

3. Geschlechtskapital
    »Die Spaltung in geschlechtsspezifische
Klassen – die Klasse der Männer und

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